Kläranlagen gehören unverzichtbar zur Infrastruktur der modernen Welt; sie haben einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Wasserqualität in Oberflächengewässern geleistet. Allerdings sind sie meist nur eingeschränkt in der Lage, sogenannte Spurenstoffe, zu denen auch Wirkstoffe aus Medikamenten und Körperpflegeprodukten, Pestizide und andere synthetische Substanzen gehören, vollständig aus dem Abwasser zu entfernen. So gelangen diese Stoffe in behandeltem Abwasser zurück in die Gewässer und stellen eine zusätzliche Belastung für Flüsse und Bäche dar, die die Wasserfauna und die bereits anfälligen Insektengemeinschaften weiter unter Druck setzt. Bisherige Studien – die sich zumeist auf einzelne Kläranlagen konzentrierten – haben bereits gezeigt, dass die Gemeinschaften der wirbellosen Organismen unterhalb der Einleitungen im Allgemeinen von verschmutzungstoleranten Artgruppen dominiert werden.
Bisher war jedoch unklar, wie allgegenwärtig diese Veränderungen sind. Deshalb hat nun ein Team von Biologen der Goethe-Uni umfassend untersucht, wie sich die Abwässer aus 170 hessischen Kläranlagen auf die Artenzusammensetzung von Wirbellosen auswirkt. Dabei erfolgte eine Anpassung der herkömmlichen Vorstellung, dass durch den Menschen verursachter Stress die Anzahl der Arten und somit die Vielfalt in Lebensräumen verringert: Die Befunde deuten darauf hin, dass vielmehr ein Artenaustausch beobachtet wird. Manche Arten gehen durch Einleitungen aus Kläranlagen durchaus verloren – das betrifft etwa die Larven von Stein- und Köcherfliegen, sie verschwinden durch die Abwassereinleitungen vielerorts völlig. Andere Artgruppen, etwa bestimmte Würmer und Krebstiere profitieren und lassen sich vermehrt nachweisen. Diese Veränderung ist in Bächen und Flüssen zu beobachten.