Ausstellung „Plastic World“ in der Schirn zeigt die Zwiespältigkeit des Kunststoffs Wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde

„L’arbre à palabres“ von Pascale Marthine Tayou. Bild: Faure

Altstadt (jf) – Gleich am Eingang in die Ausstellung in der Rotunde der Kunsthalle Schirn wird Segen und Fluch von Kunststoff deutlich: Zwei aufblasbare Nanas, Reminiszenz an die Exposition zu Werken von Niki de Saint Phalle. Während die prallen, bunten Figuren in der Luft schweben, liegt eine dritte in der Vitrine; diese lässt sich nicht mehr mit Luft füllen. Die Nana-Luftballons waren in den 60er Jahren für wenig Geld zu haben. Genau das zeichnet Kunststoff oder Plaste oder Plastik aus: Das Material ist billig und nahezu weltweit verfügbar, hart oder flexibel, transparent oder undurchsichtig, gemustert, glatt, bunt, formbar.

„Plastic World“ wirft in sieben Themenbereichen mit rund 100 Werken von 50 Künstlern einen Blick auf die Kunststoffe in der Kunst. So hat das Frankfurter Künstlerinnenkollektiv Hazmatlab, Sandra Havlicek, Tina Kohlmann und Katharina Stückel, die knallbunte Skulptur „Coral Cluster“ geschaffen sowie mit synthetischem, grasgrünem Schleim experimentiert. Er läuft über Stühle, scheinbar unkontrollierbar.

Berta Fischer hingegen lässt in „Nironimox“ eine pastellfarbene Wolke durch den Raum schweben. Bei Otto Piene können die Besucher in der Neuauflage von „Anemones: An Air Aquarium“ auf rund 160 Quadratmetern zwischen riesigen Seewesen herumspazieren. Ein doppeldeutiges Werk, es verweist auf die Schönheit der Tiefsee und warnt gleichzeitig vor ihrer Vermüllung mit Plastik.

Draußen, auf der Terrasse des Cafés Badia, steht ein quietschbunter Baum. Entwickelt hat ihn Pascale Marthine Tayou. Der aus Kamerun stammende und in Belgien lebende Künstler hat viele Plastikgegenstände aus seiner afrikanischen Heimat zu einer Baumkrone gefügt.

„Plastik erlaubt unglaublich viele Gestaltungsmöglichkeiten und setzt uns vor unendlich viele Probleme“, sagt Schirn-Direktor Sebastian Baden und bezeichnet „Plastic World“ als „singuläre Ausstellung der Materialgeschichte“. Dazu gibt es eine Kooperation mit dem Senckenberg Naturmuseum. Dort hat die Künstlerin und Wissenschaftlerin Pinar Yoldas ihr 2014 begonnenes Werk „An Ecosystem of Excess“ ausgestellt, es umfasst ein posthumanes System, in dem spekulative Organismen Kunststoff verarbeiten können. Diese Vision ist fast schon realistisch: Studierende der Yale University fanden im Amazonas-Regenwald einen Pilz mit dem Namen Pestalotiopsis microspora, der offenbar tatsächlich Plastik verstoffwechseln kann. Der dänische Künstler Tue Greenfort hat dazu ein Objekt geschaffen. Wird dann alles gut? Der riesige Müllteppich zwischen Hawaii und Kalifornien lässt zweifeln.

„Plastik war und ist ein erschwinglicher Werkstoff. Und wir werden nach wie vor damit zugeschüttet. Die Ausstellung zeigt beide Seiten“, urteilt Karin Wolff, Geschäftsführerin des Kulturonds Frankfurt RheinMain, der die Ausstellung finanziell unterstützt. „Plastik ist ein bisschen wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde“, fügte Kuratorin Marina Weinhart hinzu.

Die Exposition ist bis zum 1. Oktober zu sehen und bietet ein umfangreiches Rahmenprogramm. Mehr dazu gibt es unter schirn.de.