Corinna Mack berichtet in Rembrückens Alter Schule vom Verzicht auf Kunststoff „Wir brauchen eine Welle der Veränderung“

Gläser, Wachstücher und Co.: Neben Einwegprodukten aus Plastik hatte Corinna Mack bei ihrem Vortrag in der Alten Schule in Rembrücken auch umweltfreundliche Alternativen im Gepäck. Foto: m

Heusenstamm (m) – Der Einkauf ohne Plastiktüte hat sich fast schon durchgesetzt, immer mehr Kunden greifen zu Äpfeln und Gurken, die nicht eingeschweißt sind. Corinna Mack, Mutter und Ehefrau aus Rodgau-Hainhausen, geht noch einen Schritt weiter: Sie hält ihren Haushalt plastikfrei - fast komplett, und wie das funktioniert, schilderte sie am vergangenen Freitag in einem Vortrag vor fast 60 Besuchern der Alten Schule in Rembrücken.

Bienenwachstücher statt „wisch und weg“, feuchtes Küchentuch für Salat, Blumenkohl und Karotten, um das Gemüse frisch zu halten, Limo und Jogurt in Glas, am liebsten selbst gemacht wie auch die Kekse. Die Referentin benutzt sogar waschbare Binden, „man muss sich nur trauen“, sagt sie. Haare an den Beinen entfernt Corinna Mack mit einem Rasierhobel, und in der Dusche befindet sich ein festes Stück Seife anstelle eine Plastikflasche mit der flüssigen Version.

Die greift die Umwelt gleich doppelt an. Die kritische Verpackung beinhaltet Weichmacher in winzig kleinen Teilen, die kein Filter aufhalten kann. Sie setzten hormonaktive Chemikalien frei, erläuterte die Expertin. Diese irritierten die Schilddrüse, verursachten bei Meerestieren Krebs, Unfruchtbarkeit, Wachstumsstörungen und Allergien. Das Mikroplastik gelange über Speisefische und Muscheln in die Nahrungskette der Menschen.

Die Rodgauerin und ihre Mitstreiter kämpfen darum für weniger Plastik im Haushalt. „Wir haben keinen Planet B“, mahnt sie und lässt Ausschnitte aus „A Plastic Ocean“ über die Leinwand flimmern. Der Film von Sir David Attenborough sei einer der wichtigsten unserer Zeit. Er zeigt Wale inmitten von Abfällen, Strände, übersät von Müll. Mehr als 200 Plastikteile wurden im Magen eines 90 Tage alten Kükens gefunden. „Wir brauchen eine Welle der Veränderung“, appellierte der Gast, „ein Wechsel ist möglich, er beginnt mit uns, wir als Verbraucher haben die Macht, etwas in Bewegung zu setzen“. Plastik werde aus Erdöl produziert, einer endlichen Ressource. Acht Prozent der jährlichen Fördermenge werden für die Herstellung von Verpackungen benötigt, bald werden es 20 Prozent sein.

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Alljährlich werden 335 Millionen Tonnen Plastik neu produziert, fast die Hälfte der Erzeugnisse werde nur einmal benutzt, ein Drittel lande in der Natur.

Noch plast-ischer: 36 700 Müllautos entsorgen täglich je zehn Tonnen Einweg-Material, die Recyclingquote liege in Deutschland bei 17 Prozent, weltweit bei sieben. Bei der Wiederverwertung werde immer ein Anteil neuen Kunststoffs benötigt, „das ist teurer und aufwändiger als eine thermische Verwertung“. Obendrein nehmen Müllverbrennungsanlagen die Abfälle gerne zum Anfeuern“. Der CO2-Ausstoß heize allerdings den Treibhauseffekt und somit die Erderwärmung weiter an, gab der Gast zu bedenken.

„Verschiffen für eine schöne Quote“ sei auch keine Lösung, oft sei unklar, was am Ziel mit dem Import geschieht. Zwischen acht und zwölf Millionen Tonnen Plastik landen im Meer, jährlich, ein Lastwagen pro Minute! 2050 werden dreimal mehr Plastikteile in den Ozeanen schwimmen als Fische. Es handelt sich um Ladung, die über Bord geht, illegale Verklappung, durch Wind, Flüsse und Tiere verbreitetes Material, unsachgemäße Entsorgung, durch Abwasser sowie das erwähnte Mikroplastik aus Kosmetik oder Kunststofffasern.

Plastik werde erst nach 400 Jahren völlig zersetzt, zerbreche in immer kleinere Teile. Tiere verfangen sich in Planen und Netzen und ersticken, sie können Plastik nicht verdauen. Jährlich sterben eine Million Vögel und über 100 000 Meeressäuger und Fische an Kunststoffen im Magen. „Ein voller Magen sendet keine Hungersignale aus, sie fressen nichts mehr und verhungern.“ 95 Prozent aller Seevögel haben schon Plastikteile im Magen, Buntes scheint die Tiere zu interessieren. Weltweit kreisen fünf große Müllstrudel vorwiegend aus Einwegflaschen, Kaffeebechern und Strohhalmen durch die Meere.

Corinna Mack ruft auf, keine Einwegflaschen oder Tetrapacks zu kaufen – die Wiederverwertung von Verbundstoff sei sehr aufwändig. Strohhalme gibt’s aus Glas, Bambus, Makkaroni oder Metall mit Bürste zum Reinigen. Bei Obst und Gemüse bevorzuge sie Hofläden, Wurst und Käse gebe es schon unverpackt an der Theke, Brot und Gebäck beim Bäcker in der Papiertüte. „Ein Leben ohne Frischhaltefolie ist möglich.“ Oft sei ein Spagat zwischen bio und plastikfrei nötig, „jeder muss seinen Weg finden“. Die Macks mixen selbst ihre Mundspülung selbst: Wodka, Korn, zehn Nelken, eine Zimtstange und Wasser. Das wirke entzündungshemmend und antibakteriell, „aber bitte nicht schlucken!“ Weitere Infos gibt’s im Internet unter dienaturengel.de.