Orgelkonzert mit Musikprofessor Bernd Scherers in Kirche St. Cäcilia Mal mächtig und mal innerlich

Als Meister der Tastenkunst erwies sich Bernd Scherers an der so pracht- wie klangvollen Orgel von Heusenstamms Barock-Juwel St. Cäcilia. Bild: gries

Heusenstamm – Die aus Pfeifenwerk von Schlimbach und Ott kombinierten 23 Register in Heusenstamms Kirchenjuwel St. Cäcilia halten, was das schöne Prospekt verspricht. Die Vorzüge des Instruments mit den empfindlichen Zungenstimmen wusste Virtuose Bernd Scherers im nachösterlichen Programm ins beste Licht zu rücken, zum Wohlgefallen des zahlreich erschienenen Publikums.

Zu Beginn sorgte das „Alleluya“ des Westminster-Abbey-Organisten Simon Preston zum Lob des Herrn für Aufmerksamkeit, auch durch gekonnte Dissonanzen. Scherers kostete den extravertierten Stil bereits in der improvisatorischen Anfangsgeste aus, setzte Ideen gekonnt nebeneinander – mal schnell und rhythmisch, mal in breiten Akkorden. Der Einfluss des französischen Orgelmeisters Olivier Messiaen war unüberhörbar.

Danach ging es in die berührende barocke Klangsprache des Lüneburger Johannis-Organisten Georg Böhm, dessen ausdrucksvolle Choralbearbeitungen und schöne Verzierungen Johann Sebastian Bach Vorlagen geliefert haben. Sehr ausgewogen und transparent ging Scherers bei der Choralfantasie „Christ lag in Todesbanden“ von 1716 zu Werk, basierend auf dem österlichen Luther-Lied von 1524. Typisch Böhm war die Kolorierung des stimmführenden Cantus fimus, nicht weit entfernt von der Kunst Dietrich Buxtehudes.

In eine andere Art Barockmusik führte Jean-François Dandrieu aus Paris mit dem festlichen Rondeau des „Offertoire pour le jour de Pâques“ in so eleganten wie filigranen Registerfarben und Rhythmusspielen. So klang 1733 Kirchenmusik in Versailles am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Scherers schüttelte die hohe Kunst der Fuge spielerisch aus dem Ärmel. Wie gut sich der Professor auf die Kunst des Kontrapunkts versteht, war zu hören bei der fast aristokratisch, aber auch verinnerlicht wirkenden Terz des Reimser Organisten Nicolas de Grigny „Récit des Tierce en taille“. Wie die Stimmen auf Manuale, Kornett und Krummhorn verteilt wurden (im Pedal laufen die Grundstimmen): Das war hoher französischer Stil.

Der war auch bei Claude Balbastre angesagt, der allerdings Ludwig XVI. diente und im Gegensatz zum König die Revolution überlebte. Scherers spielte in der spätbarocken Suite, was das Herz begehrte. Duo, Trio, Konzert im Flötenstil, Air, Grand Jeu, Doubletten, Uhrenuhr und Prestante waren zu genießen.

Danach wurde es romantisch mit Clément Lorets „Offertoire pour Pâques zum weihnachtlichen „O Filii et Filiae“. Das hatte Wucht, gerade im Pedal.

Ein großer Orgelkomponist war der Pariser Alexandre Guilmant – er machte die Orgelkunst in Frankreich weithin populär mit seiner sinfonischen Musik, die auch in der Invocation a-Moll durchschien. Traumhaft einfühlsam wechselte Scherers vom Pastoralen und Verinnerlichten zu technischen Raffinessen und Furiosem, auch bei der Klangmacht von Guilmants Marche D-Dur. Aus Montpellier stammte der charmante Orgelmeister Henri Carol, dessen fünf Versetten zu „Reine du ciel, réjouis-toi“ zeigten, wie im 20. Jahrhundert Tradition und Moderne zusammengehen können. Auch in Kanada wurde der französische Spielstil hochgehalten, wo Denis Bedard farbenfroh belebende Variationen übers Kirchenlied „Lasst uns erfreuen herzlich sehr“ schuf. Scherers, der Berliner, der lange in Flensburg lehrte, nahm die Steilvorlage dankend an.

Zum Choralvorspiel „Lasst uns erfreuen herzlich sehr“ von 1948 sei hinzugefügt: Der Komponist Reinhard Schwarz-Schilling war Vater des bekannten Bundespostministers mit Vornamen Christian, aber auch Sohn eines Chemie-Unternehmers. Seine Musik konnte ebenso gefallen wie alles anderes bei dieser Orgeldemonstration, zu welcher der Heusenstammer Heimat- und Geschichtsverein eingeladen hatte in die laut Dumont-Kunstführer „schönste Rokokokirche Hessens“.

Von Reinhold Gries

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