Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Gutleutviertel: Eine heiße Mischung

Hinter der Gutleutkaserne befindet sich das Behördenzentrum.

Frankfurt (sh) – Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

Zum Gutleutviertel passt der Spruch „Gegensätze ziehen sich an“. Zwischen Bahnhofsviertel und Griesheim wird schick mediterran gewohnt, während im Hintergrund die Schlote des Heizkraftwerks West rauchen. Behörden wie das Finanzamt verbergen sich im Inneren einer wuchtigen Kaserne und auf einem ehemaligen Fabrikgelände hat sich eine alternative Kulturszene etabliert. Meine Tour durch den spannenden Stadtteil, der ursprünglich einmal eine landwirtschaftliche Fläche und ein Spital für Leprakranke war, beginne ich am Baseler Platz. Von dort begebe ich mich zur Friedensbrücke, von der aus man einen Blick auf das Hochhaus der Verwaltungsstelle der IG Metall hat. Unten am Mainufer sind die Tischtennisplatten und die Skateanlage gut besucht. Auf dem Weg zur Brücke fällt mir am Baseler Platz die Location „transnormal.de“ auf. Dort können Männer ihre weibliche Seite entdecken und ausleben und dabei auf die Hilfe von Chefin Manuela zählen.

Nun geht es zum Westhafen, wo mir eins der Wahrzeichen des Gutleutviertels begegnet: Der Westhafen Tower, der aufgrund seiner Form und der gläsernen Rautenstruktur seiner Fassade an ein Ebbelwoi-Glas erinnert und deshalb auch „Geripptes“ genannt wird. Entlang der Westhafen-Mole sind top-moderne Häuser gebaut worden, die zum Teil über eigene Bootsanleger verfügen. Es gibt einen Yachthafen, eine Segelschule, einen Kindergarten und Gastronomie – also einen kleinen mediterranen Kosmos. Weiter geht’s bis zum Ende des Geländes am Westhafen Pier. Dort entdecke ich das ehemalige Maschinenhaus des Druckwasserwerks, in dem sich inzwischen ein Restaurant befindet. Meinem Vorhaben, mich auf einem Pfad entlang der Main-Neckar-Brücke zur Gutleutstraße zu begeben, macht ein Bauzaun einen Strich durch die Rechnung. Also geht es über den Rotfelder-Ring wieder zurück, wobei ich einen Blick auf die Rückseite des imposanten Mainova Heizkraftwerks West werfen kann, das mit Steinkohle und Erdgas betrieben wird. Ein Großteil der Kohle wird per Schiff angeliefert und mittels Kran, archimedischer Schraube und Brückenkonstruktion in das Kraftwerk befördert. Über die Zanderstraße komme ich nach dem kleinen Umweg nun auch auf die Gutleutstraße und kann die Front des Heizkraftwerks betrachten. Mit blauer Beleuchtung werden an dem Gebäude Akzente gesetzt, die natürlich im Dunkeln erst richtig zur Geltung kommen.

Ich gehe unter der Main-Neckar-Brücke hindurch und gelange zum am Mainufer gelegenen Sommerhoffpark mit seinem schönen Baumbestand. Im Anschluss folge ich der Gutleutstraße bis zum Spielplatz an der Erntestraße in der sogenannten „Wurzelsiedlung“. Dort befand sich einmal die Hirtenkapelle der evangelischen Hoffnungsgemeinde Frankfurt. Davon zeugt noch ein kleiner, hölzerner Glockenturm.

Ganz andere Dimensionen hat das Briefzentrum der Deutschen Post DHL Group, das im vergangenen Jahr seinen 25. Geburtstag gefeiert hat. 82 Briefzentren gibt es laut Homepage der Deutschen Post deutschlandweit – jenes an der Gutleutstraße gehört zu den größten. Rund 1,2 Millionen Haushalte werden von dort aus täglich mit Briefpost versorgt.

Ich gehe die Gutleutstraße wieder zurück – allerdings auf der anderen Straßenseite. So unternehme ich dann auch einen Abstecher auf das Gelände der ehemaligen Farbenfabrik Dr. Carl Milchsack, wo ein Kunst- und Kulturzentrum entstanden ist. Es gibt Produktionsstätten, Ateliers, Lagerhallen, eine Bildhauerwerkstatt in der straffällig gewordene Jugendliche ihre Sozialstunden ableisten können, eine Autowerkstatt, das Theater Landungsbrücken Frankfurt sowie das Tanzhaus West.

Als Nächstes biege ich in die Heilbronner Straße ein, passiere die Taqwa Moschee des Marokkanischen Vereins für die Förderung des geistigen und kulturellen Gutes und werfe danach einen Seitenblick auf den Straßenbahn-Betriebshof der VGF. Schließlich stehe ich an den Gleisen, die zum Hauptbahnhof führen und das Gutleutviertel im Norden begrenzen. Eine interessante Perspektive. So ganz anders als aus einem einfahrenden Zug heraus betrachtet.

Nächste Station ist das Behördenzentrum hinter den Mauern der Gutleutkaserne, ein mächtiger Klinkerbau von 1877, in dem ein Infanterieverband der preußischen Armee untergebracht war. Die rückwärtigen Kasernenbauten gibt es nicht mehr, stattdessen: Behörden – unter anderem die fünf Frankfurter Finanzämter, deren bunte Hütchen auf den Dächern den Besuchern die Orientierung erleichtern sollen.

Gegenüberliegend, an der Rottweiler Straße, befindet sich die Veranstaltungsstätte Saalbau Gutleut. Davor finden Radler mit Panne eine Reparaturstation mit Werkzeug und Luftpumpe. Kurz vor Schluss, bevor mich die Gutleutstraße wieder zum Baseler Platz führt, entdecke ich die evangelische Gutleutkirche, die nicht freisteht, sondern Bestandteil einer Häuserzeile ist. Zu guter Letzt sage ich noch „Hallo“ zu meinem Berufskollegen „Mr. Quick“. Die acht Meter hohe Aluminiumfigur eines grünen rennenden Männchens von Ottmar Hörl soll an einen „rasenden Reporter“ erinnern.

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