Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Bahnhofsviertel: Eine wilde Mischung

Von der belebten Kaiserstraße kann man das Gebäude des Hauptbahnhofs sehen, das allerdings zur Gemarkung Gallus gehört.

Frankfurt (sh) – Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

In letzter Zeit hört man immer wieder vom Bahnhofsviertel, dass es dort „sehr schlimm“ geworden sei. Also begebe ich mich ganz vorsichtig in den nach der Altstadt zweitkleinsten Frankfurter Stadtteil. An einem Sonntagmittag müsste ich mich dort doch recht gefahrlos bewegen können. Das klappt auch. Aber ich wage zu behaupten, dass in keinem anderen Frankfurter Stadtteil Verwahrlosung und Reichtum so dicht beieinanderliegen.

Ich starte am Karlsplatz, der tatsächlich ziemlich verdreckt ist, und begebe mich auf die Niddastraße. Obdachlose und Drogenkonsumenten sitzen an Hauswände gelehnt, etwas weiter ein stattlicher Müllhaufen, über den sich gerade eine Schar Tauben hermacht. Es riecht nach Urin. Gemütlich ist anders. Einen starken Kontrast bilden da die Hausfassaden im sogenannten Niddasack, die für das Festival der Initiative „TAB from the Block“ temporär bunt angemalt wurden. Der Regenbogen-Anstrich von der Fahrbahn ist schon fast weggewaschen. Schade eigentlich. Auch wenn die farbenfrohen Hauswände natürlich keine Drogenprobleme lösen, sorgen sie für eine positive Stimmung –bei mir zumindest.

Weiter geht es in Richtung Elbestraße, die mit Mosel- und Taunustraße zum Rotlichtviertel gehört. Obwohl es noch recht früh am Tag ist, lungert vorm Eros-Center eine Gruppe junger Männer herum. Die verschiedenen Etablissements wirken zum Teil schäbig, andere wiederum edel. Die bunte Beleuchtung an den Häusern kommt natürlich erst nach Einbruch der Dunkelheit so richtig zur Geltung.

Ich wende mich über den François-Mitterand-Platz mit seinen breiten Sitzsteinen der Mainzer Landstraße zu und laufe über diese zur Taunusanlage. Auf dem Weg passiere ich Büro- und Bankengebäude: Glänzende Glasfassaden, klare Geometrie, der Rohbau eines Hochhauses mit dem Namen „Canyon“, das begrünt werden soll. Dazwischen schmucke Villen mit Säulen und Steinfiguren – wie die Skyper-Villa mit dem dazugehörigen viertelkreisförmigen Hochhaus. Was für ein Kontrast zum zuvor Gesehenen – und alles liegt nur ein paar Meter auseinander.

Inzwischen befinde ich mich auf der Gallusanlage und begutachte das Programm des English Theatre im Erdgeschoss des Gallileo-Hochhauses, bevor ich mich zum Jürgen-Ponto-Platz vor dem „Silberturm“ begebe. Das 166 Meter hohe Hochhaus mit der Aluminiumfassade war bis 2008 Konzernzentrale der Dresdner Bank, seit 2012 nutzt die Deutsche Bahn das Gebäude als Mieterin. Auf dem Platz beeindruckt die Brunnen-Installation: Ein Element ist eine mit einem Wasserfilm bedeckte Scheibe, ihr gegenüber läuft Wasser über eine aus mehreren Schichten bestehende Wand.

Nun nehme ich mir die Kaiserstraße vor. Auffällig sind die vielen schmucken gründerzeitlichen Gebäude. Das prachtvolle Haus mit der Nummer 37 ist das Logenhaus „Zur Einigkeit“ der gleichnamigen Freimaurerloge. Es verfügt über opulente Festsäle, die man für Veranstaltungen und Feiern buchen kann. Unzählige Gastronomien und Einzelhändler bestimmen das Bild auf der Kaiserstraße. Die Menschen hasten mit vollen Einkaufstüten entlang, andere schlängeln sich mit Rollkoffern an den Passanten vorbei. Von der Kaiserstraße aus hat man auch einen wunderbaren Blick auf das markante Bauwerk des Hauptbahnhofs, das sich allerdings auf der Gemarkung Gallus befindet.

Über die Mosel- und Münchner Straße, wo ich einen Abstecher zum kultigen Yok-Yok-City-Kiosk mache, dessen Wände mit Aufklebern übersät sind, begebe ich mich zur Gutleutstraße. Ich werfe ich einen Blick auf die Weißfrauen Diakoniekirche und dort auf das Wort „Mensch“ – zusammengesetzt aus Leuchtbuchstaben. Diese gehörten ursprünglich zum ehemaligen Kaufhaus M. Schneider auf der Zeil. Der Künstler und Mitbegründer des Kunstvereins Familie Montez, Mirek Macke,, hat die Buchstaben seinerzeit gerettet und sie auf diese Weise neu angeordnet. Und mit Kunst geht es weiter, denn wo die Gutleutstraße in den Theatertunnel mündet, befinden sich die Ateliers und Ausstellungsflächen für Gegenwartskunst des Vereins basis. Auf noch mehr Kunst stoße ich am Wiesenhüttenplatz: Ich entdecke einen QR-Code für ein Kunstprojekt der Institution freitagsküche mit dem Titel „Augmented Bahnhofsviertel“. Wer den Code scannt und seine Handykamera aktiviert, kann durch diese dann auf dem Wiesenhüttenplatz ein buntes, schwebendes Neon-Gebilde sehen und sogar drum herumlaufen. Eine witzige Idee.

Als letzte Station statte ich noch dem Untermainkai einen Besuch ab und genieße die Ruhe am Wasser und den Blick auf den hübsch geschwungenen Holbeinsteg.

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