30 Jahre nach Gründung der Notfallseelsorge gibt es in der Evangelischen Kirche 24 Gruppen Niemand wird allein gelassen

Die Notfallseelsorger sind ein wichtiger Bestandteil der Rettungskette. Bild: Thorsten Lüttringhaus/p

Altstadt (red) – Vor 30 Jahren wurde in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) der erste Verein für Notfallseelsorge gegründet. Die Gruppe in Wiesbaden zählte auch bundesweit zu den ersten Initiativen ihrer Art. Die beiden Gründungsmitglieder, Pfarrer Andreas Mann und Detlef Nierenz, leisteten damals echte Pionierarbeit. Inzwischen sind rund zwei Dutzend weitere Gruppen mit rund 600 ehrenamtlichen Notfallseelsorgern entstanden. Die EKHN bietet neun hauptamtliche Stellen für den Dienst. Der runde Geburtstag der Notfallseelsorge wurde nun am 18. November in Frankfurt in der Heiliggeistkirche mit einem Festgottesdienst gefeiert.

Bei den Einsätzen der Notfallseelsorger geht es fast immer um Tod. Er taucht plötzlich auf, oft im häuslichen Bereich, bei Suiziden, wenn ein Säugling stirbt, bei Wohnhausbränden, Gewaltverbrechen oder Unfällen. Für Betroffene ist das eine Katastrophe. Das Leben bekommt plötzlich eine andere Bedeutung, alles scheint zusammenzubrechen, kein Ausweg in Sicht. Die Notfallseelsorger unterstützen die Betroffenen und durchleiden mit ihnen die ersten Stunden.

Auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der benachbarten Kirchen haben sich im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte flächendeckend Menschen gefunden, die als Pfarrer der EKHN oder als ehrenamtliche Kräfte rund um die Uhr bereit sind, anderen Menschen in schwierigen Situationen Hilfe und Beistand zu geben. Volker Jung, Kirchenpräsident, hat eine enge Bindung zur Notfallseelsorge. 1998 begleitete er als damaliger Dekan im Vogelsberg eine Familie, die ihre 19-jährige Tochter bei einem Unglück verloren hatte. „Ich habe gespürt, wie sehr sich die Betroffenen wünschen, dass in solchen Momenten jemand für sie da ist“, sagt der Kirchenpräsident. Er baute damals mit anderen Pfarrern des Dekanats neue Strukturen auf, um sicherzustellen, dass Menschen in Not seelsorglichen Beistand bekommen. „Mit Blick auf die Bibelzeile aus dem Zweiten Korintherbrief ,Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit´ geben wir Menschen das Versprechen, sie in größter Schwäche nicht allein zu lassen. Die Notfallseelsorge teilt Verzweiflung und zeigt nicht nur, aber auch schon allein durch die Präsenz, dass wir gemeinsam nicht von Gott verlassen sind“, sagt Jung.

In der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main übernehmen in der EKHN fünf Initiativen in Krisensituationen die Verantwortung. Dazu gehören die Notfallseelsorge in der Stadt Frankfurt, in der Stadt und dem Kreis Offenbach, im Rheingau-Taunus-Kreis, im Main-Taunus-Kreis sowie der Groß-Grauer Verein „Seelsorge in Notfällen“. Die Notfallseelsorgegruppen, im Fachjargon heißen sie Systeme, lassen die Menschen in der Not nicht allein.

Ein schreckliches Ereignis an Heiligabend 1996 in Sindlingen war der Anlass für die Gründung der Frankfurter Notfallseelsorge. Eine Frau zündete während der Christmette eine Handgranate. Sie und zwei weitere Frauen starben, Dutzende wurden verletzt. Engagierte Pfarrer erarbeiteten mit der Stadt, den Rettungsdiensten und der Feuerwehr ein Konzept für die Notfallseelsorge, die im April 1999 offiziell gegründet wurde.

Seit 2002 kümmert sich auch ein Nachsorgeteam bei belastenden Einsätzen um die Aktiven der Rettungsdienste und Feuerwehren. 2023 hat Silke Bründermann die Leitung des Systems übernommen. In Frankfurt unterstützt die Berufsfeuerwehr die Notfallseelsorge finanziell und durch die Koordination der Alarmierungen und Fahrdienste zu den Einsatzorten. Träger der Notfallseelsorge sind die EKHN und die Diakonie, in deren Strukturen die Notfallseelsorge eingebunden ist.