National Carousel Association zeichnet Wilhelmsbader Kleinod aus Würdigung aus USA fürs Karussell

Übergabe: Alexander Fredebeul (rechts) und Susanne Fredebeul (Zweite von rechts) von der National Carousel Association überreichten die Tafeln an den Vorstand des Karussell-Fördervereins: Stefan Bahn, Thomas Niewalda, Susanne Hohl-Glassen und Peter Täubl (von rechts). Bild: Michael Prochnow

Hanau – Wie bei einer Militärparade, bei der Soldaten zu Pferde ritten und aus dem Sattel heraus den Feinden die Köpfe abschlugen! Wenig romantisch, reichlich gruslig, aber so amüsierten sich die Adligen im 18. Jahrhundert: Sie hockten auf hölzernen Huftieren in Karussells und erhoben das Schwert gegen Figuren am Rand. So war es laut alter Zeichnungen auch in Wilhelmsbad. „Feinde“ stehen heute nicht mehr um die mächtige Tempelanlage, dafür hängt ein schwarzes Schild dran, das auf den Historischen Karussellpreis hinweist.

Die National Carousel Association (NCA) in den USA wird 50 Jahre alt und zeichnete erstmals ein Objekt außerhalb Amerikas aus. Ihre Mitglieder Alexander und Susanne Fredebeul überreichten zwei schwarze, gusseiserne Tafeln an Vorstandsmitglieder des Fördervereins für das Karussell im Staatspark Hanau-Wilhelmsbad, weil sie „das Kulturerbe bewahren, den Zustand erhalten, die Zukunft sichern“.

So steht es auf den Schildern, die demnächst das weltweit älteste Exemplar seiner Art zieren. Experten ermittelten, dass kein älteres als das Modell in der Brüder-Grimm-Stadt von 1780 existiere. Fredebeuls, die als Schausteller jüngst mit einem kleineren historischen Kinderkarussell von 1929 noch auf dem Münchner Oktoberfest standen, gaben einen Einblick in die Entwicklung der Geräte.

Sie dienten der Ausbildung der Kavallerie, später der Belustigung der Wohlhabenden, die sich repräsentative Einrichtungen in ihre Gärten bauen ließen. Bald wurde niemand mehr vom Holzpferd aus „geköpft“, die Aspiranten sollten mit Lanzen Ringe aufspießen. Aus diesem Grund heißen in manchen Ländern Fahrgeschäfte und Rummelplätze „Ringelspiel“.

Der Vorsitzende des Karussell-Fördervereins, Stefan Bahn, erinnerte daran, wie er am 23. April 1998 in der „Kleinen Parkwirtschaft“ mit Ludger Wösthoff und 17 weiteren Gründungsmitgliedern den Verein ins Leben rief. Heute umfasst die Gemeinschaft fast 280 Mitstreiter. Der heutige Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky verwirklichte als Stadtkämmerer die Idee, für jeden gespendeten Euro einen aus der Stadtkasse draufzulegen.

Mehr als 1,5 Millionen Euro kamen auf diese Weise und dank vieler Fördermittel von Stadt, Kreis und dem Land Hessen als Eigentümer sowie der Verwaltung Staatliche Schlösser und Gärten (SG) zusammen. Das Zeugnis der Vergangenheit wurde mit einer umfassenden und fachgerechten Sanierung aus seinem Dornröschenschlaf erweckt, seit 2016 haben rund 40 000 Menschen eine Fahrt in einem der Wagen genossen. Auch bei einer Delegation der National Carousel Association hinterließ die Anlage bei einer Rundreise 2006 „bleibende Eindrücke“, berichtete Fredebeul. „In Amerika gibt es mehr als 3000 Karussells aus der Zeit von 1880 bis 1930 in privaten Freizeitparks“, umherreisende Schausteller seien selten. Als die Gemeinschaft 1973 ins Leben gerufen wurde, drehten sich nur noch 250 Modelle.

Kein Wunder, ein hölzernes Pferd kostet 130 000 Dollar, gilt also als Spekulationsobjekt. Die NCA versucht seit einem halben Jahrhundert, die historischen Karussells für nachfolgende Generationen zu erhalten. Seit 1994 verleiht sie ihren Preis, um Restaurationen zu würdigen. Für OB Kaminsky sind der Förderverein und der Dreh- und Angelpunkt in Wilhelmsbad „ein unglaubliches Glück, ein Geschenk“ von internationalem Ruf.

„In der Hoffnung, dass sich was dreht“, habe der Förderverein „mutig nach vorne geschaut“. Nach 18 Jahren konnte das „technische Meister- und Wunderwerk“ in neuem Glanz präsentiert werden.

Von Michael Prochnow

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