Eva Demski und Katja Lange-Müller bei „Frankfurt liest ein Buch“ zu Gast in der Fabrik Eine irre Mischung entdecken

Zwei Autorinnen reden in der Fabrik über „Scheintod“: Eva Demski (links) und Katja Lange-Müller. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Statt Öl hundert Jahre später Literatur: Die Fabrik, ehemalige Mineralölproduktionsstätte, war Gastgeber für ein Gespräch innerhalb des Lesefests „Frankfurt liest ein Buch“. Noch bis 18. Juli steht Eva Demskis „Scheintod“ im Mittelpunkt. Die Autorin und ihre Kollegin Katja Lange-Müller unterhielten sich zum Roman, zu eigenen Erfahrungen und sprachen über gesellschaftliche Verhältnisse.

Karin Wagner, verantwortlich für Programmgestaltung in der Fabrik, freute sich, die Besucher im Hof begrüßen zu können: „Hoffentlich hält das Wetter und der Regen macht Pause.“ Lesefest-Organisator Lothar Ruske äußerte, dass „Scheintod“ ein wichtiges Buch für Frankfurt sei. In einer neu gestalteten Ausgabe wird das Geschehen in Frankfurt im Jahr 1974 wieder ins Blickfeld gerückt.

Katja Lange-Müller erzählte, wie sie 1984 Ostberlin verließ und in Marienfelde „Scheintod“ für drei D-Mark erstand. „Es war ein Raubdruck. Doch vom Inhalt war ich fasziniert, las die Geschichte als pure Fiktion.“ 1989 lernten sich beide Autorinnen in Bergen-Enkheim kennen, Demski übergab den Schlüssel für das Stadtschreiberhaus an ihre Nachfolgerin Lange-Müller. Demski führte Lange-Müller auch durch Frankfurt, die Autorin aus Berlin lernte so das Bahnhofsviertel kennen. „Einige Szenen in ‚Böse Schafe‘ habe ich nach meinen Eindrücken in Frankfurt gestaltet“, bemerkte Lange-Müller.

Beim Lesen von „Scheintod“ sei sie auf unglaubliche Figuren gestoßen. „Ich habe das, was mir später begegnete, an ‚Scheintod‘ gemessen“, äußerte Lange-Müller. „Aber ich habe mich auch gefragt, warum die Leute, die im Buch als ‚Gruppe‘ bezeichnet werden und hinter denen sich offensichtlich die RAF verbirgt, keine empirischen Studien betrieben haben.“ „Das wollten sie nicht“, entgegnete Demski, „praktische Lebensgepflogenheiten fehlten ihnen. Die ‚Gruppe‘ machte immer irgendetwas und erklärte nichts. Wenn man fragte, wurde man abgekanzelt: ‚Das geht dich nichts an.‘“

„Die Personen im Roman sind schon eine irre Mischung. ‚Der Mann‘ ist ein verrückter Typ und sehr widersprüchlich“, bemerkte Lange-Müller, „so eine Figur wie den ‚Mann‘ wird es nicht wieder geben.“ „Da höre ich den Reiner Demski jetzt sagen: ‚Das wäre ja auch noch schöner‘“, entgegnete Eva Demski.

Im Buch gibt es tatsächliche und erfundene Personen, der Pflanzenretter Christian Koblenz beispielsweise ist eine erfundene Person. „Aber ich wäre gerne so wie er“, gestand Demski. Ihre Mutter habe nie geglaubt, dass dieser Koblenz eine fiktive Person ist. „Jeder – die Mutter, das LKA, das BKA – las das Buch auf seine Art. Ich wollte niemanden dabei stören“, sagte die Autorin.

Es war ein sehr kurzweiliger Abend, an dem die beiden Schriftstellerinnen zwanglos miteinander plauderten, manche Ansichten teilten, aber auch Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln beurteilten. Im Anschluss an das Gespräch konnten Interessierte bei der Buchhandlung Buchplatz Lektüre erwerben.

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