Trotz Verkauf: Der Gasthof „Zum Hirsch“ bleibt Oberräder Traditionslokal hat wieder geöffnet

Pächterin Ingrid Barth kann aufatmen: Der Gasthof „Zum Hirsch“ ist vorerst gerettet. Foto: kb

Oberrad (kb) – Eigentlich war der Abschied beschlossene Sache. Ende November beginnt Ingrid Barth, den Gasthof „Zum Hirsch“ auszuräumen, entrümpelt Keller und Dachboden, verstaut das gesamte Inventar in Umzugskisten. „Die Sache war für mich erledigt“, sagt die Gastronomin. 2008 hatte sie das Traditionslokal an der Offenbacher Landstraße übernommen. Doch im vergangenen Jahr kündigt der Eigentümer den Pachtvertrag, Gebäude und Grundstück verkauft er an die Ikarus Property GmbH in Mainhausen. Sogar Gerüchte über den Abriss des Gasthofs kursieren im Stadtteil. Doch dann, Mitte Januar, die große Überraschung: Der Gasthof „Zum Hirsch“ hat wieder geöffnet, Ingrid Barth macht als Pächterin weiter.

„Das kam auch für mich völlig überraschend“, sagt die Gastronomin. Einen Tag nach Weihnachten habe sie einen Anruf von den neuen Eigentümern erhalten. „Ich wurde gefragt, ob ich Interesse hätte weiterzumachen. Da war ich erst mal baff“, erzählt Barth. Sechs Tage Bedenkzeit braucht sie, dann sagt sie zu. Einen Tag später habe ich alle Kisten wieder ausgepackt“, sagt die neue, alte Pächterin, die schon einen neun Job in Aussicht hatte. Der neue Vertrag gilt vorerst bis zum Umbau des über 300 Jahre alten Gebäudes. Voraussichtlich Ende 2018, Anfang 2019 sollen die Sanierungsmaßnahmen starten. Danach wird neu verhandelt, sagt Barth. Allerdings habe ihr der neue Eigentümer zugesichert, an erster Stelle zu stehen. „Ich denke, wir werden uns einig werden“, sagt sie.

Gemütlicher Charakter soll nach Sanierung erhalten bleiben

Welche konkreten Pläne die Ikarus Property GmbH für das 310 Jahre alte Gebäude hat, steht noch nicht fest. Nur eins ist sicher: Der gemütliche Charakter des Gasthofs soll trotz umfangreicher Sanierung erhalten bleiben. Das ist auch Ingrid Barth wichtig. „Vielleicht gibt es einen schönen Holzboden und neue Stühle. Es bleibt rustikal, aber mit modernem Pep“, sagt die Gastronomin. Besonders der riesige Gewölbekeller habe es den neuen Besitzern angetan. „Die sind aus dem Staunen gar nicht rausgekommen.“

Nach den turbulenten Wochen bemüht sich Ingrid Barth um Normalität. Sohn Patrick, der im Gasthof als Koch angestellt ist, überarbeitet gerade die Speisekarte. Weniger Gerichte wird es geben, dafür eine Wochenkarte mit wechselnden sechs Gerichten. Der typischen Hausmannskost bleibt der Gasthof aber treu, verspricht Ingrid Barth. Die Öffnungszeiten bleiben wegen der Baustelle eingeschränkt: Statt ab elf Uhr hat der Gasthof Montag bis Freitag von 16.30 Uhr und Samstag von 15 bis 23 Uhr geöffnet, nur am Sonntag können Gäste von elf bis 15.30 Uhr einkehren.

Umbau Offenbacher Landstraße trifft den Hirsch hart

Der Umbau Offenbacher Landstraße hat auch das Traditionslokal hart getroffen: Um mindestens die Hälfte ist der Umsatz zurückgegangen, sagt Ingrid Barth. Dass die Baustelle nicht wie geplant Ende Februar fertig wird, sondern laut Stadt voraussichtlich erst im zweiten Quartal 2018, überrascht die Gastronomin nicht. „Wir haben es alle befürchtet“, sagt sie. Auch wenn es zur Zeit schwierig ist, durch den Irrgarten an Umleitungen, gesperrten und aufgerissenen Straßen zum Gasthof zu kommen: Ingrid Barth hofft, dass die Oberräder den Hirsch trotzdem besuchen.

Viele hätten in den Wochen vor der geplanten Schließung Geschenke vorbeigebracht und ihr Bedauern ausgedrückt. „Das hat auch mal gut getan“, sagt sie. Zumindest am 11. Februar wird das Gasthaus voll sein: Dann wird im Hirsch Faschingssonntag gefeiert. An diesem Tag ist Ingrid Barth genau 18 Jahre im Gasthof. Gefragt, warum sie trotz Baustelle und Vertrags-Hickhack weitermacht, sagt sie. „Es ist einfach die Liebe zum Hirsch.“