Wohlklingende Arien für das ganz große Drama Italienische Opernnacht bei Burgfestspielen Dreieichenhain

Hier ist die Welt noch in den Fugen: Othello (Leonardo Gramegna) denkt noch nicht daran, seine Gattin Desdemona (Luisella De Petro) einmal zu ermorden. Foto: Mangold

Dreieich (man) – Statt die ganze Oper zu hören, sich lediglich die Arien raus zu picken, das wirkt ein wenig wie die Wurstscheiben von den Brotschnitten zu nehmen: Am Sonntag gab zu den Burgfestspielen während der Italienischen Opernnacht in einer ausverkauften Vorstellung und bestem Wetter einen gesanglichen Happen nach dem anderen.

Während des Liebesduetts „Gia nella notte densa“ ist die Welt für Othello und vor allem für Desdemona noch in Ordnung. Sie bewundert ihn, er findet sie toll, und der Oberintrigant Jago legt noch nicht sein Netz aus, indem sich Othello verfängt und schließlich von Eifersucht getrieben seine sittsame Gattin ermordet.

Das Duett singen die Sopranistin Luisella De Pietro und der Tenor Leonardo Gramegna. Die zwei, die einen Tag vorher aus Bari anreisten, sind auch im realen Leben ein Paar, wie der Moderator Rainer Zagovec erwähnt. Luisella De Pietro verfügt über ein angenehm unaufdringliches Vibrato, trifft klangschön auch die hohen Töne im Piano ohne Wackler, was auch für Leonardo Gramegna zutrifft, dessen Stimme in allen Registern offen und frei wirkt.

Erfüllte Liebe gibt nichts her

Unter dem Dirigenten Stefan Ottersbach eröffnen das Konzert mit der Ouvertüre zu Giuseppe Verdis Oper „Die Macht des Schicksals“ die Frankfurter Sinfoniker. Die Bläser stechen in dem Orchester besonders heraus.

Einer wie Othello kommt immer seltsam gut weg, als ob es ein akzeptabler Grund wäre, die Lebensgefährtin umzubringen, nur weil man sich sicher ist, dass die fremd geht. Strafrechtlich betrachtet, ist der Mann ein gewöhnlicher Mörder. Aber Oper und Theater können nicht ohne Tragödie funktionieren. Eine Liebe, die sich erfüllt, die mündet im Alltag und gibt keinen Stoff mehr für die Bühne her.

Tragik des Gefühls

Im Duett zwischen Turiddu und Santuzza in der Oper „Cavalleria Rusticana“ von Pietro Mascagni singt die Mezzosopranistin Elena Suvorova den Part der Santuzza. Eine Frau, deren Triebfeder ihrer pathologisch wirkenden Liebe zu Turiddu darin liegt, ihn letztlich nicht bekommen zu können, weil Turiddu eine andere besser gefällt. Mit ihrer nervenden Eifersucht schiebt sie sich sowieso gänzlich ins Abseits. Der Mezzo von Elena Suvorova kommt auch in der Arie „Re dell’abisso affrettati ..“ der Wahrsagerin Ulrica aus Verdis Maskenball gewaltig mit hoher, körperlicher Intensität zum Tragen. Die Stimme der Suvorova wirkt rund, dunkel und kraftvoll.

Im Gegensatz zu Othellos Mord lässt sich der Totschlag von Tosca am Polizeichef Scarpia moralisch billigen. Auch in der Puccini-Oper geht es um eine leidenschaftliche Liebe, die am Ende natürlich ebenso unerfüllt bleiben muss wie die von Romeo und Julia oder Tristan und Isolde. Ganz wichtig dabei ist: Wenn einer stirbt, kann der andere nicht einfach weiter leben und sich nach gewisser Trauerzeit auf dem Markt neu orientieren. Auch die Hinterbliebenen müssen den Tod ebenso finden, damit die Banalität des Alltags die Tragik des Gefühls auf keinen Fall verwässern kann.

Nur ein Ausweg

Tosca tötet den Scarpia, weil der von ihr verlangt, mit ihm ins Bett zu gehen, ansonsten würde er ihren Geliebten, den gefangenen Kunstmaler Cavaradossi, erschießen lassen. Ein Dilemma, in dem sich Tosca befindet. Das verleitet Rainer Zagovec zum einem Altherrenkommentar: „Damals hatten die Frauen vielleicht noch mehr Ehrbegriff als heute.“ Der Moderator verwechselt Ehre mit Ekel. Jedenfalls ersticht Tosca den Erpresser, schnappt sich das Begnadigungsschreiben, doch Cavaradossi wird dennoch erschossen. Ihr Ausweg ist klar: Sie stürzt sich in den Tod.

Im Terzett „Non imprecare umiliati“ aus Verdis „Die Macht des Schicksals“ singt Lothar Fritsch mit seinem tragenden Bass zusammen mit Luisella De Petro und Leonardo Gramegna im Terzett.