VVV lädt zu Rundgang in Langen ein Spaziergang durch die Stadtgeschichte

Frank Oppermann zeigt den Geschichtsfreunden wo einst die alte Gerichtslinde gestanden haben könnte. Foto: zcol

Langen (zcol) – Sündiges Treiben unter der Tanzlinde, das den Pfarrer empört, gruselige Hexenprozesse und drakonische Strafen in längst vergangener Zeit: Der Verkehrs- und Verschönerungsverein (VVV) hatte am Wochenende zu einem spannenden und amüsanten Ausflug in die Langener Stadtgeschichte eingeladen.

Mit dem Architektur-Professor Frank Oppermann, dem Journalisten Peter Holle und dem ehrenamtlichen Stadtarchivar und Lehrer Heribert Gött war das bewährte Trio in den Langener Altstadtgassen unterwegs, das nicht nur fachlich zu überzeugen wusste. Nein, die drei Herren vermittelten die „alten Geschichten“ auch mit Humor und einem Augenzwinkern. Das hatte sich natürlich längst herumgesprochen und an diesem sonnigen Frühlingstag drängelte sich eine ganze Menschentraube um Langens Stadthistoriker. Der „Aufhänger“ der VVV-Veranstaltung war die Spende einer neuen Rundbank um eine frisch gepflanzte Linde am Vierröhrenbrunnen. „Die Bank ist nach den Ruhebänken an der Stadtkirche, dem erneuerten Mosaik und der neu gepflanzten Linde das letzte Puzzlestück hier am Wilhelm-Leuschner-Platz“, erklärte VVV-Vorsitzender Walter Metzger. Die Familie des inzwischen verstorbenen Begründers der Altstadtinitiative, Günter Dietzig, hat die Bank gemeinsam mit einem weiteren Langener Ehepaar, das nicht genannt werden will, finanziert.

Sündiges rund um die Gerichtslinde 

Die alte „Gerichtslinde“ haben Oppermann, Holle und Gött dann als Start zu ihrem geschichtlichen Rundgang gewählt. „Es gab eine Tanzlinde im 16. Jahrhundert in Langen. Sie stand direkt in Sichtweite des Pfarrhauses“, erzählt Peter Holle. 1568 schreibt Pfarrer Eucharius Zinkeißen einen Beschwerdebrief an die Landesherren und bittet nach zehn Jahren in der Sterzbachstadt um Versetzung. „Der Geistliche, ein hochgebildeter Mann, der in Wittenberg und Jena studiert hatte, hatte wegen „dem was unter der Linde passiert“ die Nase voll von Langen“, hat Peter Holle recherchiert. Und es hört sich wahrlich so an, als ob die Langener ein lustiges Völkchen waren: Es ist die Rede von „zügellosen Gelüsten“ unter der Linde, heidnischen Tanzorgien und Sauereien und Saufereien. „Die Langener Schäflein zeigten offenbar keinen Respekt“, berichtet Holle schmunzelnd. Der Pfarrer schrieb, die Langener fürchteten sich nicht vor Gott, kämen nicht im Festtagsstaat in die Kirche und hielten betrunken ein Nickerchen in den Kirchenbänken. „Keine Zucht und Ehrbarkeit“, beklagte Zinkeißen. Erst zehn Jahre und sicher viele Briefe später findet der Pfarrer Gehör: der Landesherr verbietet den Lindentanz, die illegalen Tanzplätze in den Spinnstuben und die Eiersuche um den Baum auf dem Platz vor der Linde.

Hexenprozess und Maigericht

Aber schon viel früher, 1338, wird die Linde in Langen erwähnt. Damals war nämlich Kaiser Ludwig von Bayern zum Maigericht in Langen. Damals verlor der Kaiser an Einfluss und wollte die Grenzen des Wildbanns Dreieich deutlich machen und an die Rechte und Pflichten erinnern. Die Strafen waren drakonisch: „Mörder kamen aufs Rad, Diebe an den Galgen und Falschmünzer ins siedende Wasser“, weiß Heribert Gött zu berichten. Ein Geheimnis bleibt auch nach diesem Nachmittag rund um den Wilhelm-Leuschner-Platz: wo diese bedeutungsschwere Linde denn tatsächlich gestanden hat, konnte bislang nicht geklärt werden. Ob direkt vor dem Pfarrhaus, oder weiter in Richtung Vierröhrenbrunnen oder möglicherweise gar dahinter. „Die Tanzlinde und die Gerichtslinde hat es gegeben“, betont Frank Oppermann – aber wo genau, lässt sich nicht mehr rekonstruieren, weil es ganz unterschiedliche Schilderungen in den alten Aufzeichnungen gibt.“

VVV-Gäste spenden historischer Stadtführung Applaus

Die leidenschaftlichen Heimatforscher erzählen noch von der Sage von der „Rabenmutter“, die als Geist in der Bachgasse erschienen sein soll. Dazu hat Gabi Klein recherchiert, dass es den Fall der Langener Kindsmörderin tatsächlich gegeben hat, aber viel später als geglaubt: Maria Elisabeth Wernerin ist am 2. August 1738 in Bessungen mit dem Schwert hingerichtet worden. Und auch der Hexenprozess rund um Katharina aus Kelsterbach, die freigesprochen wurde, kramt Peter Holle noch aus dem Geschichtskästchen. Nach so viel Sünde, Mord und Folter, lassen sich die VVV-Gäste noch einen Ebbelwoi und eine Brezel an der neuen Rundbank um die Linde schmecken. Für die mal wieder grandios aufgelegten historischen Stadtführer Holle, Gött und Oppermann gibt es viel Applaus.