STADTBIBLIOTHEK Beim Workshop „Bücheralarm“ produzieren Kinder ersten eigenen Podcast Lese-Nachwuchs auf Sendung

Wie die Profis aus dem Internet: Die Kinder beim Workshop Bücheralarm bei den Tonaufnahmen zum Podcast unter Anleitung von Initiatorin Lena Stenz (Mitte) und Jugendbibliotheksleiterin Katja Harjes. Bild: Bräuner

Neu-Isenburg – Joel und Zaalman sitzen zusammen an einem kleinen Holztisch im ersten Stock der Stadtbibliothek. Umgeben von Regalreihen voll mit Büchern lesen sie sich gegenseitig vor. Sie üben für ihre erste eigene Podcast-Produktion. Ein ganzes Kapitel sprechen sie ein. Bei den Aufnahmen muss dann alles stimmen, schließlich hören zwischen 2.000 und 3.000 Menschen aus bislang 36 Ländern die Folgen aus den Workshops von Bücheralarm, verrät Initiatorin Lena Stenz, die mit dem Bücheralarm Stadt- und Schulbibliotheken besucht. Das wird nach dem Workshop an der Stadtbibliothek nicht anders sein, vermutet sie.

Das beunruhigt die Mädchen und Jungen offenbar überhaupt nicht. Souverän stellt die zwölfjährige Carla den Ablauf vor, den sie und ihre Teamkolleginnen und -kollegen mit Jugendbibliotheksleiterin Katja Harjes erstellt haben. Das Thema ihres Podcasts ist das Buch „Tritt ein, wenn du dich traust“ von Kinderbuchautor Thomas Brezina. Neben Leseproben und der Vorstellung der Charaktere haben die jungen Medienmacher sogar ein Video-Interview mit dem Illustrator des Einbands Timo Grubing geführt. Bei der Gelegenheit konnten sie ihm dann gleich alternative Cover-Vorschläge präsentieren, die sie gebastelt haben. Abgesehen von der Beschäftigung mit Brezinas Buch geben die Kinder einen kleinen lokalen Exkurs zur Stadt. Die haben sie bei einem Spaziergang erkundet.

Schließlich darf auch die eigene Bewertung des Buchs nicht fehlen. Mit ihrem Bücheralarm hat Lena Stenz offenbar ein Erfolgsrezept entwickelt. In diesem Jahr hat sie dafür bereits den Deutschen Lesepreis gewonnen und ist im Moment für den Hessischen Gründerpreis sowie den Deutschen Engagementpreis nominiert.

Sie habe einfach eine Lücke bei den Angeboten für die Leseförderung von Kindern gefunden, erklärt sich Stenz die positive Resonanz auf ihre Arbeit. „Es scheint, als hätten viele Leute nur auf so ein Angebot gewartet“, sagt sie. Zudem kommt ein Angebot zur interaktiven Leseförderung zur rechten Zeit. Denn laut der internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) können die Kinder in Deutschland immer schlechter lesen. Ein Viertel des getesteten Nachwuchses erfülle demnach nicht einmal die internationalen Mindeststandards. Diese Entwicklung bereitet auch Stenz Sorge. „Wenn wir nicht schnell genug aktiv werden, verpassen wir den Punkt, den Kindern diese Kernkompetenz beizubringen“, sagt sie.

Was Stenz’ Ansatz ebenso Erfolg bringt: Podcasts produzieren, macht Spaß. „Bei der Produktion fühlen sich die Kinder wie Influencer, dabei sind sie vor allem Lesebotschafter“, sagt Stenz und lacht, „so merken sie die Leseförderung fast gar nicht.“ In diesem Sinne sei es auch vor allem der technische Aspekt, der die durchschnittlich eher lesefaulen Jungs zum Mitmachen animiere, sagt Jugendbibliotheksleiterin Harjes. Zum Beispiel bei Übungen mit dem iPad: „Wenn ein Kabel dran ist, werden die Jungs plötzlich wach.“

Für die Neu-Isenburger Kinder trifft die Leseverdrossenheit jedenfalls nicht zu. Der siebenjährige Noah liest zu Hause gerne – gerade am liebsten in einem Zauberbuch, „um selbst Zaubertricks zu lernen.“ Auch Carla liest viel, am liebsten Harry Potter. Und den passenden Podcast hört sie auch gleich dazu, „Fünf Minuten Harry Podcast“, sagt sie.

Insgesamt würden sie aber eher selten Podcasts hören, sind sich die Kinder einig. Mit der ersten erfolgreichen Eigenproduktion könnte sich das vielleicht ändern.
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