Bewohner in Häusern der insolventen d.i.i. klagen über Nebenkosten-Abrechnungen „Der Vermieter geht brachial vor“

Die Idylle der Abendsonne täuscht: Im Wohnhaus am Buchenbusch 18 wohnen unzufriedene Mieter. Bild: schlichtermann

Neu-Isenburg – Äußerlich schien Anton P. (Name von Redaktion geändert) ruhig zu bleiben. Nachdem er im November 2023 den Brief seines Vermieters Deutsche Invest Immobilien (d.i.i.) geöffnet und die Nebenkosten-Nachforderung gesehen hatte, spürte Anton P., wie aufgewühlt er war: Rund 3142 Euro sollte er für 2022 nachzahlen. Doch dabei blieb es nicht. Die d.i.i. verlangte zugleich eine drastisch verteuerte Nebenkostenvorauszahlung von 349 Euro pro Monat ab 1. Dezember 2023. Das ist fast eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr.

„Mir war klar: Für eine Zweizimmer-Wohnung mit 60 Quadratmetern kann das nicht sein“, erzählt der Mieter im Buchenbusch 18. Erst verweigerte er die Zahlung. Doch dann kamen sofort Mahnungen und Androhungen auf Vollstreckung. Unter diesem Druck überwies Anton P. das Geld.

Jetzt lässt er sich vom Mieterschutzverein Frankfurt beraten. Die Experten, die auch für Neu-Isenburg zuständig sind, haben festgestellt, dass die Kostenabrechnungen für zahlreiche Mieter im Haus nicht korrekt sind. Beispielsweise hätte das inzwischen insolvente Wiesbadener Wohnungsunternehmen etwa das Fünffache für Hausmeisterkosten des üblichen Richtwerts gefordert, für die Pflege des Gartens sei das Vierfache des Mittelwerts verlangt worden. „Der Vermieter geht brachial vor und hat manchen Mietern mit Kündigung gedroht“, sagt Rolf Janßen, Geschäftsführer des Mieterschutzvereins Frankfurt. Die d.i.i. habe dem Mieterschutzverein außerdem den Einblick in die Unterlagen und Belege verweigert, die Grundlage für die Kostenabrechnung seien.

Betroffen sind nicht nur Anton P., sondern auch andere Bewohner in dem Hochhaus mit 60 Wohneinheiten sowie im Nachbargebäude Buchenbusch 20a, das ebenfalls der d.i.i. gehört. Einige Mieter seien inzwischen bereit, gerichtlich gegen die Forderungen vorzugehen.

Andere Immobilie, gleicher Eigentümer: Doris Schmidt in der Friedhofstraße 23 rollt mit den Augen, wenn sie von den Zuständen in ihrem Haus spricht. „Wir mussten für 2021 und 2022 jeweils 600 Euro nachzahlen – viel mehr als früher. Es hat sich herausgestellt, dass die Abrechnung nicht gestimmt hat.“ Seit vergangenem Oktober gebe es keine Hausverwaltung mehr, die angeblich gekündigt habe, weil sie vom Eigentümer nicht mehr bezahlt worden sei. Seitdem bleibe das Treppenhaus ungeputzt, der Wasserablauf im Waschkeller sei verstopft. Auf dem Dachboden seien Kabel am Sicherungskasten abgerissen. „Wir bekommen nie eine Antwort, wenn wir die zuständigen Mitarbeiter kontaktieren. Auch auf Einschreiben und Brief von Anwälten reagiert niemand“, berichtet Schmidt. 14 Jahre wohne sie hier. Aber jetzt wolle sie nur noch raus.

Zugleich hätten sie und auch Anton P. Angst, die Vorauszahlungen und Mietkautionen seien wegen des Insolvenzantrags der Firma gefährdet.

Die Deutsche Invest Immobilien antwortet auf Anfrage: „Wir verstehen die Bedenken unserer Mieter und sind kontinuierlich bestrebt, die Betriebskosten transparent und fair zu verwalten.“ Grund für die plötzliche Steigerung der Nebenkosten seien stark erhöhte Heizkosten, insbesondere für Öl infolge der weltpolitischen Entwicklung. Auch die Versicherungskosten hätten sich „signifikant erhöht“. Zugleich habe das Unternehmen seine Kostensenkung von 20 Prozent erzieht, weil ein „effizienterer“ Hausmeisterservice beauftragt worden sei. Das solle sich senkend auf die Betriebskosten des nächsten Jahres auswirken. Bezüglich der mangelhaften Erreichbarkeit schreibt das Unternehmen: „Sollte es in der Vergangenheit zu Problemen beim Erreichen zuständiger Mitarbeiter gekommen sein, bitten wir dies zu entschuldigen und versichern, dass wir dem umgehend nachgehen werden.“ Und: „Die Kautionen und Nebenkostenvorauszahlungen sind gemäß den gesetzlichen Regelungen getrennt vom Vermögen des Vermieters auf den Namen des Mietvertragspartners sicher angelegt und dadurch sicher vor einer Insolvenz.“

Insgesamt besitzt die deutschlandweit operierende Aktiengesellschaft vier Wohnhäuser mit 192 Wohneinheiten in Neu-Isenburg. Kurz vor Ostern beantragte das Unternehmen, das insgesamt Immobilien im Wert von rund vier Milliarden Euro verwaltet, Insolvenz beim Amtsgericht Wiesbaden. Inzwischen wird das Verfahren am Insolvenzgericht in Frankfurt bearbeitet.

Seitdem das Wiesbadener Unternehmen die Wohn-Hochhäuser am Buchenbusch erworben hat, beobachtet Anton P. gravierende Veränderungen. „Viele Mieter sind nach der ersten Kostenerhöhung sofort ausgezogen. Jetzt stehen viele Wohnungen leer. Baulärm nervt mich im Homeoffice.“ Den Aufzug benutze er mit einem unguten Gefühl, weil dieser beängstigend ruckele. „In dem Haus wohne ich seit 2001 und kann mir es nicht leisten, ‘rauszufliegen“, sagt er. Auf die d.i.i. verweisend sagt er: „Aber mit solchen Leuten unterhalte ich mich nicht.“ Sobald die nächste Abrechnung bei ihm eintrifft, will er sich mithilfe eines Anwalts wehren.

Von Kai Schlichtermann