Urnenbestattungen werden bevorzugt Friedhof im Wandel

Urnenbestattungen immer beliebter: Brigitte Löw (links) erklärt die Vorteile der Einäscherung und warum immer mehr Menschen diese Form der Beisetzung wählen. Fo: sl Bild: -

Heusenstamm – Der Trend geht klar zur Urnenbestattung. Im vergangenen Jahr wurden knapp 82 Prozent der Verstorbenen in Urnen beigesetzt. Das ist die Erkenntnis eines Rundgangs auf dem neugestalteten Heusenstammer Friedhof, zu dem sich Vertreter und Unterstützer der „Bürger*innen-Stiftung“ unlängst versammelt haben. Brigitte Löw von der Friedhofsverwaltung führte die Teilnehmer durch das weitläufige Areal und beantwortete Fragen rund um das Thema Bestattung. Die Gründe für eine Urnenbestattung sind vielfältig, wie Löw erklärt: „Die Friedhofskultur hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert. Heute sind Familien oft über mehrere Städte oder gar Länder verstreut. Das erschwert die Grabpflege. Früher hat vielleicht noch die Cousine oder ein anderer Verwandter eines Verstorbenen im Ort gewohnt und sich um das Grab gekümmert. Das hat sich verändert.“

Auch die geringeren Kosten einer Urnenbestattung im Vergleich zu anderen Beisetzungsformen spiele für viele Menschen eine wichtige Rolle. Oder man wolle den Kindern die Grabpflege nicht zumuten. Regelmäßig das Grab eines verstorbenen geliebten Menschen zu besuchen, sei für manche Angehörige einfach zu schmerzhaft, vermutet Löw.
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„Einige Menschen wollen auch keine sterblichen Überreste hinterlassen und bevorzugen schlicht die Einäscherung“, so Löw weiter. Wer sich für eine Urnenbestattung entscheidet, hat auf dem Heusenstammer Friedhof mehrere Plätze zur Auswahl, um die letzte Ruhe zu finden – oder besser gesagt: hatte. Denn die zwei Stelengruppen, die sich im nördlichen Teil des Geländes befinden, sind komplett belegt. 512 Verstorbene ruhen dort. Doch die Stadt hat längst auf den Trend zur Urnenbestattung reagiert: Schon 2018 wurden deshalb neue Plätze für Urnen geschaffen – durch ein Urnengräberfeld. Auf den ersten Blick wirkt das neugestaltete Areal wie eine Parkanlage. Grüne Wiesen und geschwungene Kieswege, die einen Rundweg bilden, bestimmen das Bild. Eine Platte mit Namen und Daten des Verstorbenen wird in den Rasen eingesetzt. Doch die Bestattungsform hat auch ihre Nachteile, denn ein solches Grab zu schmücken, sei nicht möglich. „Natürlich sagt niemand etwas, wenn ein Angehöriger ein Blümchen auf die Platte legt“, erläutert Löw. Doch Steinfiguren, Grablampen oder ähnliches abzulegen, stelle ein Problem dar, denn die Wiesen müssten regelmäßig gemäht werden. Die Mitarbeiter des Friedhofs hätten keine Zeit, den Grabschmuck jedes Mal einzusammeln. Zwei Mitarbeiter in Vollzeit und einer in Teilzeit arbeiten auf dem Friedhof. Neben dem Urnengräberfeld bietet der auch noch eine andere Art der Bestattung: Unter neugepflanzten Bäumen können sich die Heusenstammer beerdigen lassen – 30 pro Baum. Ihre Namen und Daten werden auf kleinen Stelen neben den Bäumen angebracht.

Der Rundgang auf dem Friedhof ist wie ein kleiner Ausflug in die Geschichte und spiegelt den Wandel des Landes wider: Ein Kriegerdenkmal erinnert an die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs, neben der Trauerhalle befindet sich ein Coronahain. Liest man auf den älteren Gräbern im vorderen Bereich des Geländes noch typisch deutsche Namen, wie Karl, Heinz oder Hannelore, so stößt man beim Schlendern auf das erste muslimische Gräberfeld, auf denen türkische und arabische Namen zu finden sind. 2003 eingerichtet, liegen dort neun Muslime begraben.

„Als 2003 die muslimische Gemeinde auf die Stadt zukam, war das etwas völlig Neues“, erinnert sich Löw. Mittlerweile wurde ein zweites Gräberfeld für die Muslime eingerichtet, mit bisher einem Grab – eine im Jahr 1934 geborene deutsche Konvertitin liegt dort. Es fällt nicht nur auf, weil es das einzige in dieser Abteilung ist, es liegt quer zum Weg, Richtung Mekka. Die Teilnehmer des Rundgangs fragen, wie der Leichnam nach muslimischen Ritus zur heiligsten Stätte des Islams ausgerichtet werde. „Da war ein Imam bei der Bestattung dabei. Es hat also alles seine Richtigkeit“, sagt Löw und berichtet, dass auch die örtliche Bahai-Gemeinde nach einem eigenen Feld für ihre Verstorbenen gefragt habe.  sl