Ausstellung „Kleine Stadteingriffe“ von Thomas Neumaier in der Stadtgalerie eröffnet Teile herausnehmen und verfremden

Thomas Neumaier (links) im Gespräch mit Marco Thoms (Zweiter von links) und Landrat Oliver Quilling (rechts) hören zu. Bild: mangold

Neu-Isenburg – „Kleine Stadteingriffe“ nennt sich die Ausstellung des in Neu-Isenburg aufgewachsenen Thomas Neumaier, zu deren Vernissage in der Stadtgalerie an der Schulgasse am Freitag Dutzende Besucher erschienen. Wer sich von zeitgenössischer Kunst eher befremdet fühlt, kann sich trotzdem in den Objekten des in Ingolstadt lebenden Künstlers wiederfinden.

Manche Titel der Exponate stehen nicht unbedingt im Kontext zum Werk. So bleibt etwa eine einfarbige Fläche nur eben diese Fläche, auch wenn darunter steht, „Intentionen aus Chemnitz, als es noch Karl-Marx-Stadt hieß“ oder „Ruhende Kamele“. Ist es müßig, sich zu fragen: Was hat das zu bedeuten?

Die Bilder von Thomas Neumaier wecken hingegen Lust, nahe heranzutreten, den Kopf zu senken, um Titel wie „Kleinstadt im Aufwind“, „Es geht rund“ oder „Kl. Arbeiterbewegung“ zu lesen. Die „Kleinstadt im Aufwind“ besteht aus schwarzen Klötzchen in verschiedenen Formen und Größen. Sie hängen an langen Drähten, als pustete der Wind sie durch. Alle Klötzchen haben ausschließlich rechte Winkel. Die Kleinstadt wirkt wie ein Bausatz. Das passt zu dem, was Thomas Neumaier anmerkt: „Städte unterscheiden sich nicht mehr“.

Der 75-Jährige wuchs in Neu-Isenburg auf. Er erzählt, als Dreijähriger sei er mit dem Dreirad an der Graf-Folke-Bernadotte-Straße einmal gegen das Auto eines Opernsängers gefahren. Der habe die Szene beobachtet und dann „so überhaupt nicht opernhaft aus dem Fenster gebrüllt“. Seit mehr als 50 Jahren sei er nicht mehr in Neu-Isenburg gewesen. An etlichen Stellen erkenne er die Stadt nicht wieder.

Neumaier mischt in seinen Werken, was grundsätzlich gar nicht zusammenpasst. Doch dann harmoniert es. So liegen ein Plattenspieler und ein Verkehrsschild nahe beieinander, aber Neumaier legt ein Schild auf den Teller, das Kreisverkehr signalisiert.

Der Titel: „Es geht rund“. Ein verwandtes Objekt findet sich auf einem sicherlich nicht mehr funktionstüchtigen Plattenspieler der Firma Telefunken. Gut hundert weiße Männchen stehen für die „kl. Arbeiterbewegung“ als Symbol im Rund.

Neumaier stellt bundesweit aus, aber auch in Schweden, Italien oder Slowenien. Außerdem gewann er diverse Kunstpreise. Landrat Oliver Quilling, Vorsitzende des Forums zur Förderung von Kunst und Kultur (FFK) freut sich, dass Neumaier selbst die Initiative ergriff, in der Stadtgalerie auszustellen. Er habe bei der Stadt angefragt. Die Kunstschau habe Neumaier zusammen mit dem Kunsthistoriker Marco Thoms vom Städtischen Kulturbüro konzipiert.

Thomas Neumaier hinterfrage die Regeln und Strukturen des Zusammenlebens, zweifle am Sinn, greife Teile heraus und verfremde sie, so Quilling. Der Künstler selbst spricht von Implantaten. So zeigt eine Fotografie einen alten Wasserturm in Ingolstadt, darüber schwebt in einer Wellenbewegung der obere Teil des Turmes selbst. Eine surreale Szenerie, und das Absurde wirkt seltsam schlüssig und harmonisch. Bürgermeister Gene Hagelstein fragt sich, ob das Schild an einer Türe nicht als Teil der Ausstellung begriffen werde, sondern als behördliche Anweisung. Drauf steht: „Bitte beim Betrachten der Kunstwerke Schrittgeschwindigkeit einhalten“. Auf dem Boden liegt eine mit Fell ummantelte Fliegerbombe, eines der militärischen Utensilien, die bleiben, auch wenn die Kriegsgeneration längst nicht mehr lebt. Auf den ersten Blick wirkt das Teil wie ein Hund, der gerade mit sich und der Welt zufrieden schläft. Der Titel: „Wolf im Schafspelz“.
Öffnungszeiten

Montags bis donnerstags von 7 Uhr bis 18 Uhr. Freitags von 7 Uhr bis 13 Uhr, samstags von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr. Die Ausstellung an der Schulgasse 1 dauert bis zum 29. Juni 2024.