STADTGALERIE Ausstellung über Walter Zimbrich zeigt Spektrum seiner Arbeiten Junge Kunst der 60er Jahre geprägt

Wie vielfältig die Arbeiten von Walter Zimbrich sind, zeigt ein Blick im ersten Stock der Stadtgalerie. Rechts ist das von der Pop Art beeinflusste „Urteil des Paris“ zu sehen. Bild: Reinhold Gries

Neu-Isenburg – Als lokale Größe kennt man ihn, den 1933 in Neu-Isenburg geborenen und 2012 in Darmstadt verstorbenen Schulmeister und „Patio“-Kunstförderer Walter Zimbrich. Die noch bis Ende Februar laufende Retrospektive in der Stadtgalerie stellt nun den weniger bekannten Avantgardisten Zimbrich vor, der Ende der 1950er Jahre eine große Künstlerkarriere vor sich hatte und 1966 in der Goldhalle des Hessischen Rundfunks in Frankfurt als Entdeckung gefeiert wurde.

Im oberen Teil der Stadtgalerie überraschen Zimbrich-Gemälde von 1959 bis 1962 wie „Kastanienbäume“, „Felswand“ oder „Sumpfblüten“, die man kaum gesehen hat. Darin ging der Kunstpädagogik-Student mit satten Farben und kraftvollen, expressiv-abstrakten Formen in die Vollen.

Damals studierte der bereits in Philosophie, Geschichte, Volkswirtschaft und Jura Vorgebildete beim Paul-Klee-Schüler Hans Meyers, das setzte expressive Impulse. Anfang der 50er Jahre hatte er Zugang zur Gruppe um den Isenburger Maler Werner Seippel, ab 1957 zum innovativen Walter Kroe, der mit der Frankfurter Künstlergruppe Quadriga verbandelt war. Quadriga stellte ab 1952 von der legendären Frankfurter Zimmergalerie Franck aus die bundesdeutsche Malerei auf den Kopf und wollte auch Abstand gewinnen zur Nazi-Zeit mit ihrer Blut-und-Boden-Kunst.

Man fand Anschluss an Informelle Malerei der École de Paris und setzte, parallel zu Prinzipien demokratischer Gesellschaft, auf frei komponierte Formen und von gegenständlicher Dienerfunktion befreite Farben. Das war dann auch Zimbrichs Ansatz. Der Ideenreiche wollte dazu experimentell arbeiten und stellte sich immer wieder selbst infrage samt seinem grafisch wie farbig bestimmten Informell-Stil. Im künstlerischen Selbstfindungsprozess gelangen ihm bei Serien wie „Zerstörte Landschaften“ und „Auf dem Schindanger“ große malerische Würfe, bis heute beispielhaft für „Junge Kunst“ der 60er Jahre in Hessen.

Wie aus malerischer Urmaterie holt Zimbrich 1964 kraftvolle Formen heraus, beim Gemälde „Dem Erfinder der Braun‘schen Röhre“ oder beim magisch geschwärzten Bild „Ordnung in Damaskus“. Im gleichen Jahr zeigte er sich in der Malreihe „Aus dem Indianerleben“ auch mit Farbkreide und Tusche als lustvoller Erneuerer des deutschen Expressionismus. Dann drängte sich die englische und amerikanische Pop Art in den Vordergrund, auch Zimbrich war fasziniert.

Mit einer großen Prise Humor schuf er seine Serie „Eleganter Realismus“ mit Porträts, Modebildern und Collagen auf PVC-Folie. Für diese Zeit stehen in der Schau Arbeiten von 1966/67 wie „Kleid mit Blümchenmuster“, das ironische Diptychon „Große Krawatte“ oder die rotlippig-leeren Gesichter bei „Urteil des Paris“.

In den 70er Jahren stellte an Zimbrich sein Schulleiter-Beruf besonders hohe Anforderungen, daneben brachte er mit großer Geduld jungen Kunstlehrern den Unterschied zwischen „Strukturen“ und „Superstrukturen“ bei. In den 80er Jahren entwickelte er ein feines Empfinden für Papierarbeiten im kleineren Format, dem er mit Deckfarbe, Collage und Farbstift delikate Reize abgewann. Offen war er dazu für Landschaftsdarstellung in fein gefügter wie collagierender Art wie bei „Falaises“, „Küsten“ oder „Landbrücke“. In den 90er Jahren ging er zu energiereicher Acrylmalerei über mit den flammenden Rottönen: in Collage-Serien wie „Erosion“, „Schichtung“ oder „Sanduhren“ wie auch in Holzreliefs und Xylomontagen der Serie „Zinnoberrhombe“. Längst hatte sich der Künstler auch in Typografie und Setzen fortgebildet, was nicht nur beim Buchdruck „Ja so eine Panne“ 2011 zu herausragenden Resultaten führte. Oft in Kooperation mit dem Neu-Isenburger Drucker und Setzer Klaus Münchschwander gelangen ihm gerade in der Technik des Druckens mit gesägten Holzstöcken überzeugende Blätter und Künstlerbücher, die man auch im renommierten Offenbacher Klingspor-Museum der Buch- und Schriftkunst mit großer Freude ausstellt. Daneben sind Zimbrichs Malerei, Grafik und Typografie inzwischen in vielen Sammlungen im In- und Ausland zu finden. So kann man heute mit Recht sagen: Mit Zimbrich wirkte in der Region zudem ein sozial und politisch engagierter Pionier klassisch moderner Kunst, der Maßstäbe setzte. Den Beweis erbringt die Stadtgalerie durchaus sehenswert.

Die Öffnungszeiten

der Ausstellung über Walter Zimbrich in der Stadtgalerie, Schulgasse 1, über dem Bürgeramt sind montags bis donnerstags von 7 bis 18 Uhr, freitags von 7 bis 13 Uhr und samstags von 8.30 bis 12.30 Uhr.

Von Reinhold Gries