Interkultureller Dialog im Haus der Stadtgeschichte Von Grenzgängern und Grenzlern

Die Diskussion plätscherte anfangs vor sich hin, nahm dann aber durch Beiträge aus dem Publikum Fahrt auf. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Kein Thema dominiert die öffentliche Diskussion in den letzten Monaten so stark wie die Menschen, die vor allem aus den Kriegsregionen auf dem afrikanischen Kontinent nach Deutschland fliehen. Unter dem Titel „An der Tafel mit Künstlern“ hatten die Stadt und das Landesministerium für Soziales für den 19. Mai ins Haus der Stadtgeschichte eingeladen. Ein interkultureller Dialog stand auf dem Programm. Das Thema: Zuwanderung und Migration, eingebettet in die Ausstellung „Nach dem Fest – das Fest“ von Hagen Bonifer und dem Ehepaar Katharina und Sven Eismann. Nach zunächst mühsamem Beginn, kam dann doch noch Leben in die Diskussion.

An den Wänden hängen Hagen Bonifers großformatige Bilder, im Fresken-Stil gemalt. Die Installation „Grenzgänge“ entstand in der Werkstatt des Schreinermeisters und Messebauers Sven Eismann. Auf Gleisen liegen 18 Eisenbahnbohlen, darauf zu lesen sind Gedichte der Lyrikerin Katharina Eismann.

Die Ausstellung, die am Sonntag endete, stand im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. Die Besucher hatten die Möglichkeit auf Tafeln zu notieren, was ihnen einfällt oder einen beschriebenen Zettel einzuwerfen. Mit Flucht haben die mit dunklen Pigmenten gestalteten Bilder von Hagen Bonifer, die einen Bahnhof oder offene Türen zeigen, genau so viel oder wenig zu tun wie mit „Labyrinth“, „Nächtliche Verwirrung“ oder was einem sonst noch dazu einfallen könnte. Der Moderator Armin von Ungern-Sternberg, Amtsleiter für multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt, bringt es auf den Punkt: „Ob sich das Thema selbst verstanden fühlt, das wissen wir nicht.“ Das spielt auch keine Rolle. Bonifer ist ein Könner, und die Assoziationen liegen im Auge des Betrachters.

Faktisch um Flucht geht es bei Katharina Eismann. Eismann, die in der deutschen Minderheit im rumänischen Temeswar bis zu ihrem 16. Lebensjahr aufwuchs, ehe sie mit den Eltern in Rhein-Main-Gebiet kam, erzählt in „Von Grenzgängern und Grenzlern“, von der Angst, die Soldaten könnten schießen. Damals wollte das Herkunftsland Fluchten verhindern, heute das Zielland die Einreise.

Die Diskussion zum Thema Flüchtlinge mit engagierten Bürgern und Vertretern der Politik dümpelt anfangs vor sich hin. Das spürt auch eine Frau, die einwirft, „wir Intellektuellen erreichen die Menschen mit Ängsten hier nicht“. Jo Dreiseitel, Staatssekretär für Integration und begeisterer Nutzer des Adjektivs „alternativlos“, gibt eine Vorlage, „man kommt nur weiter, wenn man kein Problem unter den Teppich kehrt“.

Jemand aus dem Publikum fragt die Runde, wie er „eine defizitäre und rückständige Kultur als bereichernd“ empfinden solle. Temperamentvoll antwortet Barbara Levi-Wach (Agenda 21) im Tenor von „wir alle müssen zusammenstehen, das geht nicht mehr anders“. Das lässt die Frage letztlich aber offen. Ein anderer Gast stellt sich als Vertreter der Wirtschaft vor. Er zitiert aus einer OECD-Studie. Nur zehn Prozent der Flüchtlinge hätten einen Hochschulabschluss, zwei Drittel keine Berufsausbildung. Laut bayerischer Handwerkskammer brächen 70 Prozent eine Lehre schnell wieder ab.

Während der Mann die Zahlen abliest, demonstriert jemand sein relatives Verhältnis zum Recht auf freie Rede. Aufgeregt redet er ein. Später stellt er sich als Mitglied des Bündnisses „Bunt statt braun“ vor. Auch er sagt nur Richtiges, wenn er betont, für die Flüchtlinge ginge es ums Überleben und nicht „um Verwertbarkeit“. Ob er die Statistiken anzweifelt, verschweigt er auch während seiner Empörungsphase, als Integrationsdezernent Felix Schwenke erklärt, „so wie die jetzt kommen, bilden 70 Prozent keine Bereicherung für den Arbeitsmarkt“.

Auch er sehe es als moralische Pflicht, zu helfen, sagt Schwenke. Wie der Bürger im Alltag helfen kann, dafür gibt die Integrationspreisträgerin Katja Werner Beispiele aus eigener Erfahrung. Ängste ließen sich am besten abbauen, „indem wir auf ihn zugehen“. Eine Möglichkeit sei es etwa, eine Patenschaft samt Nachhilfe für einen Schüler zu übernehmen oder Flüchtlingsfamilien zu sich nach Hause zum Essen einzuladen.