68. Frankfurter Buchmesse mit über 4000 Veranstaltungen und viel Prominenz/Carolin Emcke geehrt Für die Freiheit des Wortes

Carolin Emcke bei der Pressekonferenz vor der Verleihung des Friedenspreises. Foto: Faure

Frankfurt (jf) – Etwa 275.000 Menschen besuchten die Buchmesse – mehr als im Vorjahr. Über 7.000 Aussteller aus rund 100 Ländern hatten ihre neuesten Produkte mitgebracht. Neben den mehr als 4.000 Veranstaltungen auf dem Messegelände war auch in der Stadt viel los: Open Books und die Literaturtage im Römer lockten genauso wie Ausstellungen rund um den Ehrengast Flandern und die Niederlande in den Museen.

Auf der Messe präsentierten sich bekannte Schriftsteller wie Buchpreis-Gewinner Bodo Kirchhoff, Nele Neuhaus, Leon de Winter, Donna Leon, Ian Kershaw und Wilhelm Genzino. Der britische Künstler David Hockney begeisterte mit Tablet-Malerei. Wolf Biermann, Fredi Bobic, Amelie Fried, der Blogger Sascha Lobo, Erika Pluhar, Wigald Boning, Sebastian Fitzek, Horst Hrubesch, Hardy Krüger, Miroslav Nemec, DJ Bobo und Andrea Sawatzki stellten ihre Bücher vor. Und der Boss, Bruce Springsteen – der allerdings nur für die Presse.

Es ging um Freiheit – exemplarisch diskutierte der verfolgte Journalist Can Dündar über die Lage in der Türkei.

Eine Messe in der Messe war „The Art+“ – eine Premiere, um Technologie und Kultur stärker miteinander zu vernetzen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das Van Gogh Museum Amsterdam beispielsweise zeigte, wie es gelungen ist, das Schrifterbe des Malers global zugänglich zu machen.

Höhepunkt am Abschlusstag der Buchmesse ist seit 1950 die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Paulskirche. In diesem Jahr wurde die Publizistin Carolin Emcke geehrt. Ihre Dankesrede begann sie mit den Worten: „Wow. So sieht es also aus dieser Perspektive aus …“ – sie stand am Pult und blickte auf 1000 geladene Gäste, darunter Bundespräsident Joachim Gauck, die Friedenspreisträger Alfred Grosser, Jürgen Habermas und Liao Yiwu – letzterer hatte sogar sein Kind im Buggy mit in die Paulskirche gebracht.

Perspektivwechsel würde uns allen gut tun – und Nachdenken über uns, die Gesellschaft, Zugehörigkeiten, Hass. „Verschiedenheit ist kein hinreichender Grund für Ausgrenzung. Ähnlichkeit keine notwendige Voraussetzung für Grundrechte“, formulierte Emcke. In ihrem jüngsten Essay „Gegen den Hass“ beschäftigt sich die weitgereiste Autorin mit Rassismus, Fanatismus, Demokratiefeindlichkeit. In ihrer Rede stellte sie fest: „Dieser ausgrenzende Fanatismus beschädigt nicht nur diejenigen, die er sich zum Opfern sucht, sondern alle, die in einer offenen, demokratischen Gesellschaft leben wollen.“ Emcke sparte auch nicht mit Kritik an der Politik. Es habe etwas Groteskes, wenn eine Gesellschaft jahrzehntelang leugne, eine Einwanderungsgesellschaft zu sein, Migranten als „Fremde“ ansehe und so behandle, als gehörten sie nicht dazu, als dürften sie nichts anderes sein als Türken – und ihnen jetzt vorwerfe, sie seien nicht deutsch genug, wenn sie noch einen zweiten Pass besäßen.

Die mutige Frau forderte Einmischung –sie mischt sich oft genug selbst ein. Wir dürften uns nicht wehrlos und sprachlos machen lassen, müssten Verantwortung auf uns nehmen. Nur dann könne es gelingen, in einer sich zunehmend verrohenden Welt einzugreifen.

„Wir dürfen uns nicht nur als freie, säkulare, demokratische Gesellschaft behaupten, sondern müssen es dann auch sein. Freiheit ist nichts, das man besitzt, sondern etwas, das man tut“, sagte Emcke fast am Schluss ihrer Rede. Und sie weiß, dass dieses Handeln mühsam, konfliktreich und nicht einfach ist. Aber notwendig. Am Ende dieser aufrüttelnden und klugen Rede standen alle in der Paulskirche auf und applaudierten minutenlang. Friedenspreis vergeben, Sicherheitsschleusen vor der Paulskirche abgebaut, Aussteller abgereist. Warten bis zum nächsten Jahr, wenn vom 11. bis zum 15. Oktober 2017 Frankreich Ehrengast der 69. Buchmesse ist?

Eine kleine, feine Ausstellung ist noch bis Weihnachten zu sehen und beschäftigt sich mit schönen Büchern: Im „Fenster zur Stadt“, Ausstellungsraum des Restaurants „Margarete“ in der Braubachstraße 18, werden die schönsten deutschen Bücher aus fünf Jahrzehnten gezeigt – so lange nämlich gibt es die Stiftung Buchkunst. Ein Augenschmaus für alle, die gut gestaltete Bücher lieben.