Diskussion über Impulse von Kunst für die Gesellschaft Willy Praml und Evangelische Akademie Frankfurt laden ein

Ralph Fischer (links) im Gespräch mit Willy Praml. Foto: Faure

Ostend (jf) – Das Thema Schutz/Raum/Kultur stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung, zu der die Evangelische Akademie Frankfurt und das Theater Willy Praml in die Naxoshalle eingeladen hatten. Ralph Fischer, Evangelische Akademie, moderierte.

Jörn Etzold vom Institut Theater-, Film und Medienwissenschaften Frankfurt, sprach in seinem Vortrag „Von Aischylos bis Schlingensief – Flüchtende im Bühnenraum“ über das Thema in der Geschichte.

Als Aischylos etwa um 466 vor Christus sein Stück „Die Schutzflehenden“ auf die antike Bühne brachte, ging es darum, dass die 50 Töchter des Danaos aus Ägypten fliehen, weil sie nicht die eigenen Vettern heiraten wollten. Sie baten König Pelasgos in Argos auf den Peloponnes um Schutz. Der geriet in einen Konflikt: Nach seinem Gewissen und nach dem geltenden Recht musste er den Frauen Unterschlupf gewähren, politisch riskierte er einen Krieg. „Heute wie damals mussten die Flüchtenden das Mittelmeer überwinden. Doch bei Aischylos wurde das Schutzrecht verhandelt, der König gewährte einen Schutzraum. Heute ist davon einzig das Kirchenasyl übrig geblieben“, erklärte Etzold. Hannah Arendt schrieb in den 1940er Jahren, dass Flüchtlinge aus der Menschheit fielen, da sie keinerlei Rechte besäßen und als Staatenlose keinen Schutz beanspruchen könnten. Sie würden in Lager gesteckt, die sie gleichzeitig ein- und ausschlössen. „Heute stellen wir fest, dass syrische Flüchtlinge vielleicht einen Pass haben – aber keine Heimat mehr“, bemerkte Etzold.

Laute, zynische Aktion

Außerdem ging er auf die Aktion „Bitte liebt Österreich“ von Christoph Schlingensief im Jahr 2000 in Wien ein. Unter dem großen Plakat „Ausländer raus“ – die fremdenfeindliche Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) war als zweitstärkste Partei in den Nationalrat gewählt worden – hatte Schlingensief mitten in Wien Container aufbauen lassen. Ähnlich wie beim damals aktuellen „Big Brother“ konnte das Publikum abstimmen, wer von den zwölf „Asylbewerbern“ den Container verlassen musste und abgeschoben wurde. Eine laute, zynische Aktion, die der Gesellschaft einen grässlichen Spiegel vorhielt.

Im sich anschließenden Gespräch zwischen Ralph Fischer und Willy Praml gingen beide auf die Inszenierung von Goethes „Iphigenie“ ein. Der Untertitel „Kann Humanität den Schrecken dieser Erde überwinden?“ bleibt unbeantwortet. Aber im Stück wird verhandelt, es gibt weder Krieg noch Tote.

Praml erzählte zudem vom gegenwärtig laufenden Projekt mit Syrern, Iranern, Irakern und Afghanen. Dazu hatten sich in der Mehrheit Menschen gemeldet, die noch nie etwas mit Theater zu tun hatten. „Aber sie sind motiviert, begeistert und engagiert“, urteilte Praml. „Deshalb quälen wir uns seit drei Wochen, den Kleist-Text ‚Das Erdbeben in Chili’ in drei Sprachen zu bringen, damit es sinnvoll für alle Beteiligten ist. Und in den fremden Texten thematisiert sich eigenes Erleben der Teilnehmer.“ Die Premiere ist für den 10. Juni geplant.

Projekt mit Geflüchteten

Martina Droste, Leiterin des Jungen Schauspiels Frankfurt, stellte ihr Projekt „Frankfurt Babel“ mit jungen Geflüchteten im Vortrag und im Video vor. „Es handelt sich im Übrigen nicht um eine Flüchtlingskrise, sondern eigentlich um eine Krise der Gesellschaft“, stellte Droste vorab klar. Zurzeit arbeiteten 15 Jugendliche aus zwölf Nationen mit. Der Leiterin des Jungen Schauspiels ist es wichtig, nicht nur einige wenige Leuchtturmprojekte auf die Beine zu stellen, sondern dauerhafte Angebote für Geflüchtete zu unterbreiten.

Grundprinzip ihres Projektes ist eine egalitäre Kommunikation. Schwierigkeiten ergaben sich, als Afghanistan zum „sicheren Herkunftsland“ erklärt werden sollte und als 1300 minderjährige Ausländer plötzlich in die Kommunen weiterverteilt wurden. „Wir haben mit dem Projekt ein intensives Laboratorium gebaut. Alle Vorstellungen sind ausverkauft“, sagte Droste. Und sie warnte: „Die Würde des Menschen geht in Deutschland gerade verloren.“

Joschka Fleckenstein vom Zentrum für politische Schönheit Berlin berichtete zum Abschluss über die Aktion „Erster europäischer Mauerfall“ – ein widerständiger Gegenentwurf zu den staatlichen Gedenkfeiern an den Mauerfall in Berlin 2014.