NGG: „Nachhol-Ausbildung“ als zweite Chance 81.000 Beschäftigte ohne Ausbildung

Hendrik Hallier von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten ruft zur Nachhol-Ausbildung auf. Bild: p

Frankfurt (red) – Es geht um die zweite Chance im Job – um die nachgeholte Berufsausbildung. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat Unternehmen in Frankfurt aufgerufen, eine Fachkräfte-Offensive in ihren Betrieben zu starten. „Eine Lösung liegt da besonders nah: Eine ‚Neustart-Chance’ für die Beschäftigten, die keine Berufsausbildung haben. Um sie sollten sich Betriebe deutlich mehr kümmern. Immerhin gibt es in Frankfurt rund 81.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ohne Berufsabschluss. Das sind gut 13 Prozent der Erwerbstätigen“, sagt Hendrik Hallier. Der Geschäftsführer der NGG Rhein-Main beruft sich dabei auf Angaben der Arbeitsagentur.

Menschen ohne Ausbildung gezielt zu fördern, sei ein wichtiger Aspekt im Kampf gegen den Fachkräftemangel. „Ein schlechter Schulabschluss, eine frühe Schwangerschaft, Schwierigkeiten im alten Ausbildungsbetrieb oder in der Berufsschule – es gibt viele Gründe, warum Beschäftigte in jungen Jahren eine Ausbildung abgebrochen oder gar nicht erst begonnen haben. Es wäre aber falsch, sie als ‚ewig Ungelernte’ abzustempeln. Fair ist es, diesen Menschen eine zweite Chance zu geben. Erst recht, da in den meisten Branchen ohnehin Fachkräfte händeringend gesucht werden – in der Lebensmittelindustrie genauso wie in Hotels, Restaurants oder Bäckereien“, sagt Hallier. Die Perspektive von Beschäftigten ohne Berufsausbildung sei sonst, ein Berufsleben lang als Hilfskraft bei schlechterer Bezahlung arbeiten zu müssen. Hallier ruft Beschäftigte ohne Berufsabschluss auf, das Thema „Nachhol-Ausbildung“ offensiv im Betrieb anzusprechen: „Wenn ein Chef sieht, dass jemand die Motivation hat, mehr aus sich zu machen und sich für das Unternehmen zu qualifizieren, kann er das kaum ablehnen.“ Es sei allerdings wichtig, dass neben der Geschäftsführung auch die Belegschaft motivierte Beschäftigte unterstützt. „Ideal ist es, wenn es einen Betriebsrat gibt. Dann ist der nötige Rückenwind quasi garantiert“, sagt Hallier. Außerdem fördere die Arbeitsagentur etliche Qualifizierungen. Die NGG Rhein-Main rät Betriebsräten und Beschäftigten, aber auch den Geschäftsführungen von Unternehmen, sich über Angebote der Arbeitsagentur zu informieren (arb eitsagentur.de/unternehmen/fin anziell/foerderung-von-weiterbil dung). Für Unternehmen sei das besonders interessant. Denn Lehrgangskosten könnten teilweise oder gar vollständig übernommen werden. Auch Zuschüsse zum Lohn, der bei einer Weiterbildung weitergezahlt werde, seien möglich. „Wichtig ist, dass einer im Betrieb die Fäden zusammenhält und alles koordiniert. Am besten der Betriebsrat“, sagt Hallier.

In Frankfurt nutzen bereits Beschäftigte die Chance, sich für einen Berufsabschluss fit zu machen. Es seien jedoch zu wenige: So registrierte die Arbeitsagentur nach Angaben der NGG im ersten Halbjahr 2023 lediglich 26 Qualifizierungen, an deren Ende ein Berufsabschluss steht.

Das Nachholen einer Ausbildung und trotzdem „nebenbei weiterzuarbeiten“, sei allerdings eine Herausforderung. In Berufen mit Saisonarbeit lasse sich dies jedoch „relativ gut unter einen Hut bringen“. Ein Beispiel dafür sei die Lebensmittelbranche. „Hier gibt es oft Saisonphasen. Weiterbildungsmodule sollten dann möglichst in die Zeiten gelegt werden, in denen die Produktion nicht voll ausgelastet ist. Das gilt auch für die Hotellerie oder Gastronomie: Es gibt in der Regel immer Phasen, in denen nicht gerade Hochbetrieb herrscht“, sagt Hallier. Die Qualifizierung ungelernter Mitarbeiter sei eine Investition ins Betriebs-Know-how – und sichere Beschäftigten höheren Lohn und eine bessere Perspektive.