Wie Ralf Kremser im Botanischen Garten drei Sumpfgebiete anlegte Ein weiter Weg: Der Mann und das Moor

Ralf Kremser bei der Arbeit. Foto: Stadt Frankfurt/Bernd Kammerer/p

Westend (red) – Das Moor, sagt Ralf Kremser, habe ihn schon immer fasziniert. Als Kind sei er zweimal im Moor versunken. „Mutproben“, meint er und zuckt mit den Schultern. Was man halt so macht, wenn man mit seinen Freunden draußen unterwegs ist. „Es ist ja gut ausgegangen.“ Seine Freunde haben ihn wieder herausgefischt. Und doch hat ihn das Moor nicht mehr losgelassen: Kremser, seit neun Jahren Gärtner im Botanischen Garten, hat sich intensiv mit diesem Lebensraum, der nicht Wasser und auch nicht Land, sondern irgendetwas dazwischen ist, beschäftigt. Und im Botanischen Garten mittlerweile sein drittes Moor angelegt: Ein Kalkflachmoor.

Drei mal elf Meter ist es groß, mit drei Quellen, aus denen das Wasser austritt, und vielen Pflanzen, die ausschließlich an nährstoffarmen Extremstandorten wachsen, etwa Orchideen, Mehlprimel und die überaus seltene Purpur-Nelke Armeria purpurea, die in der Natur nur an einem Standort am Bodensee vorkommt. Kremsers Chef Thomas Moos, technischer Leiter des Botanischen Gartens, nennt es eine Weltpremiere: „Ein Kalkflachmoor in dieser Größe gibt es unseres Wissens in keinem anderen Botanischen Garten.“

Bereits 2015 hatte Kremser im Botanischen Garten zwei Sumpfgebiete angelegt – ein Hoch- und ein Torfmoor. Weil aber ein Kalkflachmoor, auch Quellmoor genannt, vollkommen anders aufgebaut ist, musste er sich für dieses Vorhaben auf Recherche begeben. Er las Fachliteratur, sprach mit Experten wie Wolfram Kircher von der Hochschule Anhalt, unternahm Streifzüge durch die Natur, unter anderem gemeinsam mit Burkhard Quinger, der ihm die versteckten Kalkflachmoore am Ammersee zeigte. „Ich wollte die Atmosphäre dieser Landschaft spüren, bei allen Wetterlagen“, erzählt Kremser. Er nahm Kontakt auf zu Erich Meier aus Münster, Kenner bezeichnen ihn als Moor-Papst. „Junge, komm sofort vorbei, ich bin über 80“, sagte Meier zu Kremser. Also fuhr Kremser nach Münster.

Quellmoore entstehen, wenn aus dem Untergrund Wasser austritt. Ist diese Quellausschüttung ergiebig, dauerhaft und gleichmäßig und der Boden somit permanent mit Wasser gesättigt, kann sich Torf und damit also ein Quellmoor entwickeln. Sumpfgebiete wie diese sind für Pflanzen Extremstandorte, nur wenige Arten sind in der Lage, sich hier anzusiedeln.

Das Kalkflachmoor im Botanischen Garten entstand, nachdem die Recherche abgeschlossen war, innerhalb mehrerer Monate und in diversen Schritten: Baustelle absichern, Vorgänger-Anlage abräumen, Erdarbeiten, Anschluss an den Kanal, Anschluss an die Wasserversorgung, Teichfolie einbauen, Abflusszone herstellen, mit Teichplatten eine Topografie formen, Substrat einbringen und dann immer wieder testen, ob Ab-, Zu und Durchfluss funktionieren, der Quellaustritt die richtige Größe hat und so weiter.

Unterdessen sah man Kremser immer mal wieder am Rand der Anlage sitzen und vor sich hin sinnieren. „Ich meditiere gerade“, sagte er dann und brütete über die Topografie, den Wasserlauf, die Bepflanzung. Die größte Herausforderung sei der Ablauf des Wassers gewesen. „Wie verhält es sich, wo bilden sich Pfützen im Substrat? Wie schaffe ich es, dass es nicht über den Rand der Anlage läuft? Ich habe viel getüftelt“, sagt Kremser.

Und dann stand er plötzlich mit seinen Kollegen an der neuen Anlage, blickte auf den mit Pfützen und austretendem Wasser durchzogenen, von seltenen Sumpfpflanzen bewachsenen Dolomit-Split und dachte: „Öh – Jetzt ist es fertig.“ Und dann war er ein bisschen stolz. Denn, wie sein Chef schon sagte: Ein so großes Kalkflachmoor in einem Botanischen Garten gibt es nicht.