Der dritte Mann

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Bürgermeisterwahl: Das Kandidatenfeld wächst – Von Jürgen Dick

(Bruchköbel/jgd) – Der Wahlzettel wird länger: Der offiziell von der CDU aufgestellte Kandidat Daniel Weber bekommt es nun wahrscheinlich mit einem dritten CDU-Kollegen zu tun, der gegen ihn um das Amt des Bürgermeisters streiten will.

Daniel Weber hatte im Frühjahr die Nominierung durch die CDU-Mitgliederversammlung geschafft, war allerdings nur mit einer hauchdünnen ein-Stimmen-Mehrheit durchgekommen. Sein unterlegener Parteikollege Thomas Sliwka, der sich wegen seiner beiden Ämter als CDU-Vorstand und CDU-Fraktionsführer bereits als CDU-Kandidat gesetzt gesehen hatte, startete daraufhin verärgert seine eigene Kandidatur. In der vergangenen Woche nun ging auch CDU-Mann Dietmar Hußing mit der Ankündigung an die Öffentlichkeit, kandidieren zu wollen.

Damit stünden zur Wahl am 27. Oktober also gleich drei CDU-Männer zur Wahl, neben bislang drei weiteren Kandidaten – Perry von Wittich (SPD), Uwe Ringel (Grüne) und Patrick Baier (BBB). Und diese Liste scheint noch nicht geschlossen zu sein. Der „Hanauer Anzeiger“ schreibt schon seit einiger Zeit die Kandidatur der hiesigen FDP-Vorsitzenden Sylvia Braun herbei, die sich den Lockrufen wohl kaum noch wird erwehren können. Im politischen Bruchköbel wird damit gerechnet, dass auch sie antritt.

CDU in der Zwickmühle

Es stehen also drei (oder vier) Kandidaten unterschiedlicher Parteien gegen drei CDU-Kandidaten. Für die CDU ist das eine schwierige Situation. Sie kann ihr Wählerpotential somit nicht auf ihren Wunschkandidaten bündeln. Denn die beiden CDU-Leute Sliwka und Hußing dürften den offiziellen Kandidaten Weber Stimmen kosten. Ob sich die Kreis-CDU wohl dazu hinreißen lassen wird, die beiden nichtoffiziellen CDU-Kandidaten irgendwie abzustrafen? Etwa durch einen Parteiausschluss? Dieser wäre nach den Statuten der Hessen-CDU möglich. Nach denen gilt die Kampfkandidatur eines CDU-Mannes gegen einen offiziellen CDU-Kandidaten als „parteischädigendes Verhalten“. Jedoch ist man sich in den CDU-Spitzen schon länger darüber bewusst, dass so ein Ausschluss bei den Wählern zu Sympathien für das ausgeschlossene „Opfer“ führen kann. Die harte Tour gegen die beiden Konkurrenten könnte sich am Wahltag als Rohrkrepierer herausstellen.

Ein Rückblick: Die Aussage in der Satzung der Hessen-CDU wurde dort erst vor einigen Jahren in der Folge eines ähnlich gelagerten Falles eingefügt – und dieser hatte sich, man horche auf, ebenfalls in Bruchköbel ereignet. Zur Bürgermeisterwahl im Jahr 2007 war der damalige CDU-“Rebell“ Günter Maibach gegen den amtierenden CDU-Bürgermeister Michael Roth angetreten, und hatte diesem am Ende die sicher geglaubte Wiederwahl vermasselt. Maibach schwamm im damaligen Wahlkampf auf einer immer stärker werdenden Welle der Sympathie – nicht zuletzt deshalb, weil das innerparteiliche Lager um den seitherigen Amtsinhaber mit dem Gedanken gespielt hatte, Maibach wegen seiner Aufmüpfigkeit aus der CDU zu entfernen. Das war nach den damals gültigen Statuten der CDU zwar noch gar nicht möglich. Aber schon die Absicht geriet zum Bumerang. Das Maibach-Lager schlachtete die gewähnte Benachteiligung des eigenen Kandidaten genüsslich aus, beklagte mangelnde Fairness. Für Maibach stellte sich ein gewisser Solidarisierungseffekt ein.

Parteitreue CDU-Wählerinnen und Wähler, in Bruchköbel zuletzt rund 40%, stehen jedenfalls bei der Wahl am 27. Oktober ein bisschen ratlos da. Der designierte Kandidat Daniel Weber ist auf der politischen Bühne noch weitgehend unbekannt. Seine politische Präsenz muss er in einem Bergauf-Marathonwahlkampf innerhalb weniger Wochen optimieren. Konkurrent Thomas Sliwka haute seinerseits in den Medien zuletzt kräftig auf die Pauke. Sogar Sliwkas Ehefrau sendete bereits einen eindringlichen Protestbrief an die Presse. Und Sliwka strotzt offenbar auch deswegen vor Selbstvertrauen, weil er „seine“ CDU-Fraktion im Stadtparlament hinter sich glaubt.

Kein unbeschriebenes Blatt

Den neuen CDU-Konkurrenten Dietmar Hußing hatte aber auch Sliwka nicht auf dem Zettel. Und Hußing ist durchaus ein Kaliber: Er ist im Bruchköbeler Rathaus ein alter Hase, kennt den internen Betrieb, auch in leitenden Funktionen, und gilt innen wie außen als bedächtiger Ansprechpartner. Seine Ehefrau Andrea Weber ist Geschäftsführerin der Stadtmarketing AG. Gleichzeitig ist ihm der raue Politikbetrieb keinesfalls fremd, im Gegenteil: Hußing war jahrelang Fraktionsführer der CDU im Parlament der Stadt Hanau, was ihn gegenüber Sliwka mindestens auf Augenhöhe bringt. Hußings persönliche Einlassungen per Pressemitteilung wirkten folglich für einen ersten Aufschlag recht professionell, unaufgeregt, sachlich im Ton. Man fragt sich, warum der CDU-Vorstand so jemanden nicht bereits von sich aus im Vorfeld entdeckt und angesprochen hatte.

Fehler im Vorfeld

Eine systematische Suche nach möglichen Kandidaten hatte der CDU-Vorstand offenbar nicht zuwege gebracht. Es galt: Wer wollte, durfte sich melden. Die Vollversammlung der Partei, die, wie bei vielen Parteien und Vereinen, am entscheidenden Abend nur lückenhaft besucht war, musste es dann richten. Die bloß knappe 35:34 Mehrheit für einen der beiden Kandidaten erzeugte dann zwangsläufig Unmut. Als sich schließlich der unterlegene Sliwka zur Kandidatur entschloss, war damit zugleich die Tür für weitere freie Kandidaturen aus der CDU geöffnet. Das bedeutet nun aber auch: Die Partei selbst tritt in den Hintergrund, die Bürgermeisterwahl wird auch in Teilen der CDU vorrangig als Personenwahl verstanden. Und tatsächlich ist sie das ja vom Gesetz her auch. Für den politischen Anspruch einer CDU als Partei ist das keine gute Situation. Sie wird sich Gedanken machen müssen, wie in Zukunft ein Verfahren zur Findung eines gemeinsamen Kandidaten aussehen kann, welches die Mitglieder überzeugt.

Wie auch immer: Drei CDU-Kandidaten, die vielleicht 40% der Stimmen auf sich vereinen und zugleich untereinander aufteilen – damit steigen automatisch die Chancen für die weiteren Kandidaten. Für diese bleiben ja dann immerhin die anderen 60% – zumindest wäre das so, wenn man die Maßstäbe des Parteienproporzes aus der letzten Kommunalwahl anlegt. Noch nie hatten Bruchköbeler Bürger mehr Auswahl unter Kandidaten für das Bürgermeisteramt. Ein interessanter Wahlkampf nimmt nun seinen Lauf.