Holzland Becker feiert in diesem Jahr 200-jähriges Bestehen Am Anfang war die Zimmerei

Die Bahnhofstraße um 1925 – Das Firmengelände befand sich auf der rechten Seite. Foto: Holzland Becker

Obertshausen (kc) – Dass ein Unternehmen sein 200-jähriges Bestehen feiern kann und nach wie vor in Familienhand ist, kommt äußerst selten vor und lässt auch auf Geschick und Glück schließen. Dabei begann alles in ganz kleinen Verhältnissen.

Als Matthes Becker 1819 seine Zimmerei in der Bahnhofstraße eröffnete, war Obertshausen ein armes Dorf mit wenigen hundert Einwohnern. Die Straßen waren unbefestigt, für die Wasserversorgung sorgten Brunnen und die Trinkborn-Quelle, es gab kaum Gewerbetreibende und der Ort war komplett landwirtschaftlich geprägt. Die Entscheidung für die Zimmerei dürfte aber eine gute und wohl auch einigermaßen einträgliche gewesen sein, denn gebaut wurde ausschließlich mit und aus Holz. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Backsteingebäude.

Also führten die Nachfahren den Betrieb fort, heute bereits in der siebten Generation – allerdings mittlerweile längst keine Zimmerei mehr. 1857 übernahm Peter Becker III., im selben Jahr wurde in der Hintergasse der erste Ziehbrunnen gebaut, denn die Wasserversorgung war ein großes Problem. In der Chronik des Heimat- und Geschichtsvereins findet sich eine spannende Auflistung, die viel von den Verhältnissen im damaligen Obertshausen erahnen lässt: Neben der Landwirtschaft „gab es am Ort zwei Maurer, zwei Zimmerleute, drei Schuster, zwei Metzger, drei Wirte, zwei Bäcker, zwei Schneider, zwei Schmiede, zwei Inhaber von sogenannten Kolonialwarengeschäften, einen Lumpensammler, einen Schäfer, einen Gänsehirten, einen Kuh- und Schweinehirten sowie einen Wildbrethändler“. Übrigens: Über eine Wasserleitung konnten sich die Obertshäuser erst 1935 freuen.

Doch auch Obertshausen erlebte im Laufe des 19. Jahrhunderts einen rasanten Wandel. Die Landwirtschaft brachte auf den kargen Böden kaum genug zum Leben, die Menschen suchten Arbeit vor allem in Offenbach und Hanau. Aus dem Bauerndorf wurde ein Arbeiter-Bauerndorf und danach ein Standort für Industrie und Dienstleistung.

Im Hause Becker setzte man aber weiterhin – offenkundig erfolgreich – auf die Zimmerei. Ab 1881 – zu diesem Zeitpunkt wurde längst nicht mehr mit Dukaten, Gulden, Talern oder Kreuzern bezahlt, sondern mit Reichsmark – führte Wilhelm Becker das Unternehmen fort, der in der Geschichte Obertshausens eine nicht unbedeutende Rolle einnimmt. Denn von 1897 bis 1906 war er Schultheiß und Bürgermeister, in dieser Zeit stieg die Einwohnerzahl auf mehr als 1600. Und eine weitere große Veränderung kam mit der Fertigstellung der Eisenbahn. Bis dahin waren die Obertshäuser überwiegend zu Fuß zu ihren Fabrikarbeitsplätzen gekommen.

1913 ging das Unternehmen an Nikolaus Becker und damit die vierte Generation über. Nachdem der Familienbetrieb mehr als 100 Jahre lang ausschließlich auf das Zimmerhandwerk gesetzt hatte, gab es 1931 die erste große Veränderung: den Umzug in die Ringstraße und die Erweiterung um ein Sägewerk. 1955 kamen dann – mittlerweile unter der Leitung von Wilhelm Karl Becker – die Herstellung von Kisten und Paletten dazu. Als Wilhelm Karl 1970 starb, wurde die Zimmerei nach mehr als 150 Jahren geschlossen und es kam zum ersten Mal eine Frau an die Spitze der Firma: Karin Anna Elisabeth Becker. Damals hatte Obertshausen immerhin schon mehr als 9000 Einwohner, deren Zahl sich mit der Gebietsreform 1977 und dem Zusammenschluss von Hausen und Obertshausen etwa verdoppelte.

Seit 1987 ist Frank Becker für das Unternehmen verantwortlich, das heute rund 200 bestens ausgebildete Mitarbeiter hat und als größter Holzfachmarkt Deutschlands gilt. Die Basis dafür war der erneute Umzug 1989 an den jetzigen Standort in der Albrecht-Dürer-Straße. Und der bedeutete endgültig den Start in die Neuzeit. Das Sägewerk wurde geschlossen, mit dem Eintritt in die Holzland-Kooperation konsequent auf den Einzelhandel umgestiegen, der Holzgroßhandel ausgebaut, Türen- und Fußboden- sowie wenig später die erste Gartenausstellung entstanden. Anfang dieses Jahrhunderts kam der Online-Shop dazu. Und Frank Becker setzte auf Energie- und Emissionseinsparung: Die Dieselstapler wurden gegen Elektrostapler ausgetauscht, eine große PV-Anlage zur Eigenversorgung mit Strom entstand und schließlich wurde konsequent auf energiesparende Hochleistungs-LED-Beleuchtung umgerüstet, auch am Standort Weiterstadt und dem Lager in Offenbach.

200 Jahre Firmengeschichte in Obertshausen sind ein klares Bekenntnis der Familie Becker zu ihrer Heimatstadt. Holzland Becker gehört hier zu den großen Arbeitgebern und auch Steuerzahlern, und auch Vereine in Obertshausen und Umgebung profitieren von dem Unternehmen: 1996 wurde die Aktion „Klingende Vereinskasse“ gestartet, bisher durften sich die Clubs über insgesamt mehr als 150.000 Euro freuen.

Wirklich groß gefeiert wird der 200. Geburtstag aber nicht, erklärt Frank Becker. Denn von dem äußerst seltenen Jubiläum sollen vor allem die mehr als 31.000 Stammkunden mit vielen günstigen Angeboten profitieren.

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