Die „Langen Lernnächte“ der Stadtbibliothek Obertshausen hatten voriges Jahr Premiere. „Geplant war zunächst nur eine Nacht“, berichtet Anja Wagner, doch der Ansturm sei so groß gewesen, dass sie spontan eine zweite Lernnacht organisierten. „Jeder ist willkommen“, betont die langjährige Büchereimitarbeiterin. Tische können flexibel umgestellt werden, und bei großem Ansturm wird sich mit „einer Bierzeltgarnitur vor der Tür“ ausgeholfen.
Zum Lernen gehören Fleiß – und Belohnung. Deswegen bietet die Obertshausener Bücherei gratis Kaffee, Tee, Saft und Naschereien. Doch der kostenlose Süßkram ist nicht der Hauptgrund für die abendlichen Besucher. „Viele Schüler kommen, weil sie auf der Suche nach einem ruhigen Lernort sind“, erzählt Wagner. Wo Geschwister spielen, der Staubsauger tönt und der Fernseher im Nachbarzimmer stört, könne selten gut gelernt werden.
Doch es gebe auch andere Gründe, erzählen drei 19-jährigen Abiturientinnen in einer Lernpause. „Mein Chillort darf nicht gleichzeitig mein Arbeitsplatz sein“, heißt es. Allein das sich Fertigmachen und der Ortswechsel motiviere, erklärt Luna-Suzan Creutz. Auch für Analena Rufino De Sousa sei es „die Überwindung und der schon aufgenommene Weg“, welcher letztendlich dazu beitrage, dass man auch produktiv werden möchte.
Ein weiteres Stichwort für Josephine Papenthus ist der Gruppenzwang. Denn wenn man von Lernenden umgeben sei, möchte man mitziehen. Ein schlechtes Gewissen kann also auch anstacheln. Neben diesem leichten Leistungsdruck sei die Gruppenarbeit ebenfalls ein effektives Mittel für den Lernerfolg, sagt Josephine Papenthus. Zwar führe Gruppenarbeit unter Freunden auch zu gelegentlicher Ablenkung, doch ausschlaggebend sei der Austausch. Denn wer anderen ein Thema erklären muss, verinnerlicht es.
Von den Gesprächen anderer hat sich bisher keiner der Befragten gestört gefühlt. Ein Grund hierfür ist womöglich, dass kleine Räume aus beweglichen Bücherregalen gebaut wurden, die gleichzeitig als Sicht- und Lärmschutz dienen. Die kleinen Lernecken verleihen der ohnehin kleinen Bibliothek eine Atmosphäre „mit Wohlfühlcharakter“, wie es auch Luna-Suzan Creutz formuliert.
Die Abiturientin äußert aber auch konstruktive Kritik: „Es wurde zu wenig Werbung gemacht, vor allem auf Social-Media.“ Deswegen würde die eigentliche Zielgruppe meist nur zufällig angesprochen. Lediglich durch eine Instagramstory von Bürgermeister Manuel Friedrich seien einige Schüler erreicht worden.
Von Maja Frühling