Über 100 Bürger beteiligen sich am Stadtputz 2020 Als Saubermachen noch erlaubt war

Bei der Müllsammelaktion wurden unter anderem über 5.000 Zigaretten aufgesammelt, deren Filter bis zu 200 Jahre benötigen, um zu verrotten. Foto: m

Obertshausen (m) – Mehr als 100 Teilnehmer „kehrten vor der eigenen Haustür“, beteiligten sich am „Stadtputz 2020“. Erwachsene, Jugendliche und Kinder rechten und pickten Abfälle rund um ihr Vereinsgelände auf, zogen Sperrmüll aus dem Gebüsch und befreiten den Wald von illegalen Ablagerungen.

Mit Blick auf die Pandemie kam nur noch ein Mitglied einer Gruppe zum Bauhof, um Picker und Plastiksäcke abzuholen. Die sonst übliche Begegnung und der Austausch bei Erbsensuppe, Bier oder Cola sei auch ohne Lockdown verboten, hieß es von den Organisatoren der traditionsreichen Aktion. Dennoch beteiligten sich auch Privatpersonen und Neubürger. Yannic und Angelica Go, zum Beispiel. Sie sind erst vor ein paar Monaten nach Obertshausen gezogen.

„Der Dreck wird sowieso zu unserem Haus geweht“, zeigte die Mama mit ihrem Baby vorm Bauch in die Offenbacher Straße.

Also klaubten sie die Belege für die Dummheit und Sorglosigkeit ihrer neuen Mitbürger nahe des Busbahnhofs auf. „Wir wollen der Stadt etwas zurückgeben“, bedankt sich die junge Familie für ihre herzliche Aufnahme in der „liebenswerten Kleinstadt“.

5.000 Kippen war eine Ausbeute der „Profis“ der Gemeinschaft „Einfach bücken“.

Die Obertshausener Initiative konzentrierte sich am Samstag auf Zigarettenreste, die ignorante Raucher zwischen den Kiosken am Bahnhof und in der Offenbacher Straße auf den Boden fallen gelassen hatten.

„So ein Filter braucht bis zu 200 Jahre bis er verrottet ist und kann 40 Liter Wasser kontaminieren“, erklärte Undine Zimmer, Sprecherin der engagierten Truppe.

Fast 20 der rund 220 Anhänger der Idee vom Umweltschutz hatten das Mammutprojekt übernommen, das Gelände rund um die S-Bahn-Station und den Busbahnhof zu säubern.

Undine Zimmer hat eine zylinderförmige Glasvase ihrer Schwiegermutter zweckentfremdet und Markierungen angebracht. Bis zu jedem Strich auf dem Kristall passen rund 200 Tabakstummel, so können die Helfer ihr Engagement in Zahlen fassen.

Doch das allein genügte den Aktiven nicht. Mitinitiatorin Zimmer hat die Deckel kleiner, offener Metalldosen mit reizvollen Motiven verziert. Von den Accessoires für Männer lächelt da auch schon mal eine barbusige Dame. Aus Konservendosen hat ihr Team dekorative Sammelbehälter für die Reste der Raucher gebastelt: „Lass’ Deine Kippe im Kippengeist verschwinden“, wirbt das Etikett nun, „ausdrücken, einwerfen und Umwelt schützen!“.

Die Mannschaft hat sich mithilfe einer Aktion von Sponsor und Sportausstatter Nowalala Warnwesten, kleine Eimer und Anstecker mit ihrem Logo angeschafft. Dazu verfügt sie über 30 eigene Picker verschiedener Qualität, zeigte die Ehrenamtliche.

Damit waren ihr Sohn Lenni und sein Freund Nico (beide 8 Jahre alt) auf dem Grünstreifen direkt am Gleiskörper beschäftigt, Kronkorken aus der festgetretenen Erde zu lösen.

Das Areal jenseits des Zauns hat eine Reinigungsaktion noch nötiger. Dort dürfen aber allein Bahn-Bedienstete das Flaschenmeer austrocknen. Flachmänner, Bier- und Wodkaflaschen füllten aber auch diesseits der Absperrung die Müllbeutel. Auf der „Hitliste“ der meistaufgelesenen Artikel stehen Kaffeebecher und Verpackungen von Schnellrestaurants ganz oben.

„Sonst haben wir noch Autoreifen, Schrankteile, einen Regenschirm und ein Stofftier gefunden“, berichtete Martin Delto, der seine freie Zeit den Saubermännern und -frauen spendet. „Musik kann man ja nicht mehr machen“, sagte der Gitarrist und lächelte auch noch.

Telekom-Projektmanagerin Zimmer hat die „Einfach bücken“-Bewegung über Kollegen bis nach Bonn und Köln exportiert, wo sie nun auch ohne städtischen Aufruf einmal im Monat „den Sack vollmachen“. Das verhelfe in jedem Fall zu einem Erfolgserlebnis, „man findet immer was, sammeln hilft so auch gegen schlechte Laune“, warb sie fürs Mitmachen.