Aeham Ahmad und Bergo Kamal Ibrahim in Obertshausen Zwei arabische Musiker spielen für Flüchtlinge

Das Vorstandsteam von Bündnis 90/Die Grünen dankte zum Schluss den Künstlern. Unser Bild zeigt (von links) Katy Walther, Tobias Koch, Aeham Ahmad, Bergo Kamal Ibrahim, Robert Bedner und Norman Dosch. Foto: Mirjam Beitz/p

Obertshausen (man) – Die Grünen hatten den syrisch-palästinensischen Pianisten Aeham Ahmad zusammen mit dem ägyptischen Perkussionisten Bergo Kamal Ibrahim für ein Benefizkonzert ins Bürgerhaus Hausen eingeladen. Der Erlös des Konzerts geht an den Verein „Freundschaft ohne Grenzen“. Zu internationalem Ruhm brachte es Aeham Ahmad als „Pianist in den Trümmern“. Vor seiner Flucht nach Deutschland hatte Aeham Ahmad in seiner vom Krieg zerstörten Heimatstadt Jarmuk zwischen den Schuttbergen konzertiert. InDeutschland trat Aeham Ahmad schon mit Herbert Grönemeyer, Dota undden Sportfreunden Stiller auf.

Aeham Ahmad und Bergo Kamal Ibrahim kennen sich seit einem Jahr. Damals gab Ahmad im Wiesbadener Kunstverein ein Konzert. Ibrahim, der in Eppstein lebt, schaute vorbei. Der Schlagzeuger kam vor einem viertel Jahrhundert als 25-Jähriger von Alexandria nach Deutschland. Die Musiker lernten hinterher einander kennen. Seitdem saßen sierund 30 Mal zusammen auf der Bühne. Von dort lässt sich schnell hören, warum das Gespann nicht mehr miteinander proben muss. Aeham Ahmad ist ein akademisch ausgebildeter Pianist. Als Kind ging er in Damaskus aufs Konservatorium, später in Homs auf die Musikhochschule. Er hat das, was den meisten Interpreten ernster Musik jedoch fehlt: Den Groove.

Rasantes Tempo

Während der ersten Takte können sich die Zuhörer im gut besuchten Saal noch in einem normalen Konzert fühlen. In rasantem Tempo schlägt Ahmad den Türkischen Marsch von Mozart an. Der verliert sich denn in einer verwegenen Kadenz, um schließlich in Beethovens „Für Elise“ zu münden. Von der Stelle an schmiegt sich Bergo Kamal Ibrahim in die Improvisation. Ein Schlagzeuger, der jeden seiner Töne atmet. Die beiden verwenden in ihren Improvisationen Elemente aus der arabischen Musik, deren Tonleitern sich mit ihrer besonderen Chromatik von europäischer Kunstmusik unterscheiden. Der Rhythmus wechselt ständig, der Schlag kommt ganze Taktsequenzen nie auf die Eins. Zwischendurch klingt auch das Klavier wie ein Perkussionsinstrument. Aeham Ahmad greift in den Flügel und dämpft einzelne Saiten ab. Ibrahim ist ein urmusikalischer Typ, der es schafft, dem Klang einer Triangel eine besondere Aura zu entlocken.

Demütiger Charakter der Staatenlosigkeit

Zwischendurch erzählen die beiden von der Lage in Syrien, wo der Pianist Aeham Ahmad 1988 in Jarmuk zur Welt kam, ein Stadtviertel und Flüchtlingslager in Damaskus. Einmal blieb der Vater zweier Kinder nur durch Zufall am Leben, als ihm nach einer Explosion Steinbrocken die rechte Hand brachen. Eine Katastrophe für einen Pianisten. Bergo Kamal Ibrahim spricht „vom demütigen Charakter der Staatenlosigkeit“. Freund Aeham Ahmad kam als Staatenloser zur Welt. Die Solidarität der arabischen Regierungen mit den Palästinensern, die dem eigenen Sprach- und Kulturkreis entstammen, konzentriert sich auf Sonntagsreden. Auch die vierte Generation der einstigen Flüchtlinge besitzt keinen Pass. Ansonsten betonen beide, sie verstünden sich als Beispiel für die Mehrheit hierzulande lebender Araber und Muslime: „Wir wollen niemanden töten.“ An einer Stelle stimmen die zwei ein arabisches Lied an. Im Saal sitzen junge Flüchtlinge, die wie aus einem Hals mitsingen. Unvorstellbar in Deutschland. Die Interpreten auf der Bühne beweisen aber einen feinen Sinn für das, was Biodeutsche gesanglich leisten können. „Alle meine Entchen“ intonieren die Obertshäuser, als hätten sie extra geübt.