In Cranachs Malerwerkstatt entsteht im wahrsten und im übertragenen Sinne ein Bild des Reformators, das einen kraftvollen, überzeugten, aber auch widersprüchlichen Mann zeigt. Hier werden keine spektakulären Neuigkeiten preisgegeben, keine neuen Einsichten auf das Dasein Luthers gewonnen, doch man lernt Luthers als Reformator und Privatperson zugleich kennen: Es zeigt Martin Luther als nachdenklichen, sentimentalen, aber auch lebensfrohen Menschen mit alltäglichem Stress, gesundheitlichen Problemen, genialen Ideen und einer großen Idee für die Zukunft seiner religiösen Glaubensgemeinschaft. So leidet der hier skizzierte Theologe unter dem gesellschaftlichen Status Quo in dem Religion aus politischen Gründen zweckentfremdet wird ebenso wie unter der Diät, die ihm seine Frau aus gesundheitlichen Gründen verschrieben hat.
Das Stück „Cranach malt Luther“ überzeugt allerdings nicht nur mit einer hervorragend facettenreichen Porträtierung Martin Luthers, sondern auch durch die Schauspiellust der beiden Hauptdarsteller Oliver und Frederike Nedelmann. Hier erlebt man Schauspielkunst in der schönsten Form: Mit wenigen, aber genial eingesetzten Requisiten, großem Verständnis für Charaktere und Emotionen sowie stets einer nötigen Prise Humor entführt das Schauspielduo die Zuschauer in eine andere Welt.
Sehr beeindruckend ist die Chemie und das Timing zwischen den Nedelmanns: In laut krachenden Wortgefechten sitzt jedes aufbrausende Wort und keine Atempause stört, so dass die Spannung bis zum Höhepunkt getragen wird. Gleichzeitig weiß das Duo, wann die Zeit für Stille und Nachklingen gekommen ist. So auch in der Szene, in der Luther mit einem Besen in der Hand ein Lied singt: Oliver Nedelmann nimmt sich hier viel Zeit, in der er manche Verse immer wieder neu ansetzt, umdichtet und improvisiert, während Frederike Nedelmann im Hintergrund mitsummend das Bild von Luther auf einer Leinwand malt.
Hier wirkt nichts angestrengt dargestellt, alles wirkt jede Emotion und jeder Moment authentisch auf der Bühne gelebt. Als Zuschauer vergisst man, dass man im Theater sitzt. Herausragend!