In der Kirche im Grünen ging es ums Scheitern Ein kollektives Vergeben

Jörg Heuser vom hat das Fuck-Up-Sommerfest initiiert. Bild: A. Zegelman/Bistum Limburg/p

Höchst (red) – Im Gras steht eine hohe, graue Vase, aus der Rauch aufsteigt. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass an der Vorderseite ein großes Stück herausgebrochen ist. Jörg Heuser hat sie mit weißer Folie ausgekleidet, mit Sand befüllt und Teelichter hinein gestellt. Beim Sommerfest in der Kirche im Grünen lädt er die Besucher ein, vorzutreten, ein kleines Stückchen Weihrauch auf die Flammen zu legen und symbolisch alles, was sie belastet, in Rauch aufgehen zu lassen.

„Das Gefäß taugt nicht mehr als Vase – aber noch sehr gut zum Räuchern“, sagt Heuser, der mit seinem Projekt Ankerplatz-ffm den Bereich Kirche in der Arbeitswelt bearbeitet. Bei seinem Sommerfest, zu dem gut 50 Interessierte in die Kirche im Grünen in Höchst kamen und zu dem er in Kooperation mit der Pfarrei St. Margareta eingeladen hatte, ging es um Brüche.

Die Vase verkörpert dabei das, was viele Menschen im Lauf ihres Lebens erfahren: Ein Projekt geht schief, ein Unternehmen scheitert, man wird entlassen, verlassen, scheitert. In einer Welt der am besten makellosen Lebensläufe kann das nicht nur schmerzen, sondern auch sehr stressen. Deshalb hat Heuser sein Sommerfest diesmal den sogenannten „Fuck-up-Storys“ gewidmet. Einen Abend lang wurde mal nur darüber gesprochen, was im Job schief gelaufen ist. Selbstbewusst, humorvoll, ohne Angst – gemeinsames Lachen über gemachte Fehler hilft und heilt.

Zwei Rednerinnen und zwei Redner berichten auf einer Bühne mit rotem Teppich von ihren Erfahrungen mit dem Scheitern. Einer hat ein Unternehmen krachend in den Sand gesetzt und viel Geld verloren, ein anderer wurde vom Chef übergangen, das Projekt eher dem Kollegen zugetraut. Eine Frau berichtet davon, wie sie viel Budget für unbrauchbare Werbematerialien ausgab, eine andere, wie ihr Verein den Antrag auf Förderung zu früh stellte und dadurch die zugesagten Gelder verlor. Dazwischen lief humorvolle Musik vom Band, die das Thema aufgreift.

Es ist ein Seelen-Striptease, zu dem Mut gehört. Doch die Gruppe fing die Redner auf, machte ihnen Mut, ordnete ein. Aus dem Makel wurde ein kollektives Vergeben. Und das tut gut, denn bei den Geschichten wurde klar: Das Erlebte sitzt noch tief, auch Jahre später sind die Auswirkungen noch zu spüren. „Noch heute werde ich jedes Mal nervös, wenn das Konto im Minus ist“, sagt der Unternehmer. Und der übergangene Angestellte meint: „Ich habe daraus gelernt, dass man nicht nur eine gute Idee haben, sondern sie auch gut verkaufen können muss.“

Das Publikum lauschte den Fuck-up-Stories aufmerksam und hatte jede Menge zum Thema beizutragen. Denn gescheitert wird überall. „Wir reden übers Scheitern immer etwas despektierlich, dabei ist es menschlich“, sagte Jörg Heuser.