Blick auf ein Phänomen Picknick-Ausstellung im MAK

Kuratorin Charlotte Trümper, im Hintergrund ein Großfoto vom Picknick zur Henley Royal Regatta. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Bereits die alten Griechen liebten es, im Freien zu speisen. Die heute bekannten Outdoor Sitting Bags gab es schon vor über 2000 Jahren, die Säcke waren in der Antike mit Gras, Laub oder Stroh gefüllt und hießen Stibadium.

Seit dem achten Jahrhundert ziehen die Japaner anfangs zur Pflaumen-, später zur Kirschblüte hinaus. Zu Hanami, dem Kirschblütenfest, werden mitgebrachte Köstlichkeiten aus Lackschalen verzehrt, es wird gesungen, getanzt, gedichtet. Der Begriff „Picknick“ leitet sich aus dem Französischen ab, ursprünglich Pique-nique von piquer (aufpicken) und nique (eine Kleinigkeit) – erstmals tauchte das Wort 1649 in Paris auf, damals bezeichnete es noch die Beteiligung der Gäste an den Kosten bei einer Einladung in einen Salon. Drinnen also. Anfang des 19. Jahrhunderts änderte sich die Bedeutung, aus dem französischen pique-nique und dem englischen pic-nic wurde Picknick, die Mahlzeit im Freien.

Kultiviert haben es die Engländer, zweifellos ist die britische Erfindung des Picknick-Korbs im 18. Jahrhundert ein entscheidender Schritt. Diese Utensilien haben weltweit einen guten Ruf – einige besondere Exemplare zeigt die Ausstellung. Aber wer füllt die Picknick-Koffer der Engländer nach dem Brexit? Eine auf der Insel viel diskutierte Frage nach der Abstimmung.

Das globale Thema wird in der Exposition „Picknick-Zeit“ im Museum Angewandte Kunst (MAK) mit weiteren Beispielen aus der Schweiz, aus Deutschland, Frankreich, Nordeuropa, Indien, dem Iran und Mexiko beleuchtet. Picknick reicht vom hartgekochten Ei – Salzstreuer gehört dazu – bis zur Henley Royal Regatta mit Champagner, Hummersalat, Porzellangeschirr und Kristallgläsern, „serviert von Butlern an Tischen neben dem Rolls-Royce auf der Wiese“, wie Kuratorin Charlotte Trümpler berichtete. Sie hatte die Idee für diese Ausstellung. Es ist die inzwischen 43. nach Neueröffnung des Hauses 2013 und die erste große Exposition 2017. „Die partizipative Komplizenschaft beim Picknick macht das Thema für das MAK interessant. Es ist die erste Schau, die sich mit diesem Phänomen beschäftigt“, sagte Direktor Matthias Wagner K.

Zwei riesige Fotografien am Anfang der Ausstellung zeigen Gegensätzliches: Ein Mann und eine Frau bereiten auf der Expedition zum K2 (8611 Meter) ein Fondue zu. Spartanisch, aber zweckmäßig. Daneben ein Paar vor einer rosafarbenen Nobelkarosse – das Hutband der Lady farblich passend abgestimmt – an einem mit dunkelgrüner Decke und Blumenarrangement geschmückten Tisch, der Champagner perlt in den Gläsern. Henley Royal Regatta.

Dazwischen also bewegt sich das Thema. Nicht nur Accessoires sind zu bestaunen, auch Geschichte und Geschichten spielen eine Rolle. Im Theaterstück „Pique-nique en campagne“ (Picknick im Felde) des spanischen Schriftstellers Fernando Arrabal werden die sich feindlich gegenüberstehenden Soldaten Zapo und Zepo sowie Zapos Eltern – beim Picknick für eine Weile friedlich vereint – am Ende von Maschinengewehrsalven niedergemäht. Das Paneuropäische Picknick im August 1989 im ungarischen Sopron dagegen, organisiert von Ungarn und Österreichern, leitete das Ende des „Eisernen Vorhangs“ ein. Ein halber Trabant zeugt in der Ausstellung davon, dass viele DDR-Bürger dieses Picknick, an dem fast 20.000 Gäste teilnahmen, zur Flucht in den Westen nutzten. Und unbehelligt blieben.

In unseren Breiten ist Störung der Totenruhe strafbar, nicht so in Mexiko: Der Día de los Muertos (Totentag) am 1. und 2. November findet an geschmückten Gräbern mit Totenköpfen aus Zuckerguss statt, es wird bei Kerzenlicht gegessen, getrunken, Musik gemacht und so der Toten gedacht. Schon vor dem Richard-Meier-Bau am Schaumainkai 17 lenkt ein Gemälde die Aufmerksamkeit auf die Ausstellung. Das von den Graffiti-Künstlern Balázs Vesszösi und Gündem Gözpinar (beide Naxos-Atelier) mit Acrylfarbe und Sprühdose angefertigte Bild heißt „Déjeuner sur l’herbe 2.0“ – es erinnert an das fast gleichnamige Werk von Édouard Manet. Skurriles gibt es ebenfalls zuhauf, beispielsweise einen von einem anonymen Spender und der Dorforganisation Gstaad (Schweiz) gesponserten riesigen Fonduetopf, der im Garten steht und in dem man bequem sitzen kann.

Selbst aktiv werden kann man in der Kitchen on the Run vor der Villa Metzler am 21. Mai. Das MAK hat zahlreiche Angebote rund um die Ausstellung, die noch bis zum 17. September zu sehen ist. Weiteres unter www.museumangewandtekunst.de.