Die Geschichte von „Opa Ede“ und seinem Mercedes 200/8 Alte Liebe rostet nicht

Viele Erinnerungen verbindet Ulrike Eitel mit dem mehr als 50 Jahre alten Mercedes Benz der Baureihe 200/8, den ihr ihr Vater Edmund Halfar hinterlassen hat. Er hatte den Wagen zeit seines Lebens gehegt und gepflegt. Bild: p

Mühlheim – Von ihrem Vater Edmund Halfar hat Ulrike Eitel ein besonderes Erbe hinterlassen bekommen: Einen Mercedes Benz der Baureihe 200/8, Baujahr 1971. Und der hat es nun wieder durch den TÜV geschafft – mängelfrei. Eitels Vater hegte und pflegte zeit seines Lebens sein Auto mit dem berühmten Stern auf der Motorhaube, sodass dessen Zustand auch nach mehr als 50 Jahren tadellos ist. Ein Blick in den Innenraum schickt den Betrachter auf Zeitreise, in Jahre als Autos noch eckig waren, das Lenken Kraft kostete und zwei Aschenbecher links und rechts der Rückbank zum Rauchen einluden.

Edmund, der in der Familie liebevoll nur „Opa Ede“ genannt wird, nutzte im wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit seine Chance. Nach dem Krieg war er mit seiner Mutter und elf Geschwistern aus Ostpreußen geflohen. Mit einem älteren Bruder baute er in den 1950er Jahren in Offenbach eine Autolackiererei auf.

„Da Opa Ede in der Lackiererei gearbeitet hat, kannte er die neusten Autos und hat dann auf diesen Wagen gespart. Er war ein richtiger Arbeiter und hat sich das gegönnt“, berichtet Schwiegersohn Rudolf „Rudi“ Eitel. Um den Wagen zu finanzieren, habe Opa Ede noch nebenher Wohnungen tapeziert. Immerhin 14.000 Mark hatte der Mercedes seinerzeit gekosten, ungefähr so viel wie ein Arbeiter 1971 durchschnittlich im Jahr verdiente.

Tochter Ulrike Eitel erinnert sich nicht mehr an ihre erste Begegnung mit dem Mercedes, aber an die vielen gemeinsamen Urlaubsfahrten darin mit der Familie. „Wir sind immer zusammen in den Winterurlaub gefahren, ins Kaisergebirge, Richtung Kitzbühel“, erzählt sie. „Mir fällt dazu eine schöne Geschichte ein“, wirft Rudi Eitel rein: „Wir sind in dem Auto mal über Weihnachten zusammen in den Urlaub gefahren. Wir beiden mit unserem Sohn, als der noch ein kleiner Bub war, und Opa Ede mit Frau.“

Da man eine Ferienwohnung gebucht hatte, musste alles mit - sogar der Christbaum auf dem Dachgepäckträger ...

Doch der Wagen aus der Baureihe 200/08 – unter Autoliebhabern auch schlicht „Achtstrich“ genannt – kutschierte nicht nur die Familien Halfar und Eitel in die Alpen, sondern diente auch als Baufahrzeug. Opa Ede war nämlich ein emsiger Kerl, heute würde man ihn einen „Macher“ nennen. Er baute seiner Familie nicht nur das Haus in Mühlheim. Auch ein Alterssitz im Odenwald zählt zu seinen Werken, die er hinterlässt. „Da hat Opa Ede mit dem Auto jede Woche irgendwas hoch in den Odenwald gefahren. Der Kofferraum ist riesig. Da gehen ein paar Säcke Zement rein. Sogar die Speismaschine hat er darin mitgenommen“, erinnert sich Rudi Eitel.

Der Wagen sei ein Allrounder gewesen, genau wie Opa Ede. Und so diente der Mercedes auch als Hochzeitskutsche, wenn in der Familie geheiratet wurde. Tochter Ulrike und Schwiegersohn Rudi fuhren damit vor 46 Jahren zum Standesamt.

Das Ehepaar Eitel erinnert sich gerne an Opa Ede. Noch heute schwärmen sie von seiner positiven Art, die selbst durch schwere Schicksalsschläge nicht getrübt worden sei. Nach einem schweren Unfall im Jahr 2009 im Alter von etwa 80 Jahren habe Opa Ede nicht mehr Autofahren können. Die letzten Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 2021 verbrachte er in einem Pflegeheim, was seiner Lebensfreude aber keineswegs geschadet habe. So habe er oft und viel mit den Pflegerinnen gescherzt und gerne alle Aktivitäten mitgemacht.

Kurz vor seinem Tod bereiteten Tochter und Schwiegersohn ihm noch eine besondere Überraschung: Sie holten ihn aus dem Heim, für eine letzte Spritztour in seinem geliebten Mercedes.

Von Steffen Lynch