Egelsbacherin Lilli Rühl feierte 100. Geburtstag Ein besonderes Jubiläum

Am 1. August wurde Lilli Rühl 100 Jahre alt. Foto: Jost

Egelsbach (njo) – Auch wenn die Augen von Lilli Rühl vielleicht nicht mehr ganz so scharf sehen und sie sich immer mal wieder eine Lupe zur Verstärkung holt – sie leuchten noch. Die Egelsbacherin feierte am vergangenen Samstag, 1. August, ihren 100. Geburtstag.

Rühl blickt auf ein bewegtes Leben zurück, mit vielen Höhepunkten und Schicksalsschlägen. Obwohl sie schon 82 Jahre in Egelsbach lebt und die Gemeinde als ihr zweites Zuhause betrachtet, bleibt die wahre Heimat in der Rhön, in Dalherda. „Das kann sich heute keiner mehr vorstellen, aber wir wurden damals umgesiedelt“, berichtet Rühl. Hitler erklärte im März 1938 gleich acht Rhön-Dörfer zum riesigen Truppen-Übungsplatz, die Menschen mussten weichen. „Deswegen kann ich es heute so mitfühlen, wie es den Flüchtlingen geht, die ihre Heimat verlassen müssen“, erklärt die rüstige Seniorin. Ihr Glück hat sie in Egelsbach dennoch gefunden: „Die Menschen hier waren offen für uns, sie nahmen insgesamt acht Familien aus Dalherda sehr herzlich in Empfang. Meinen Mann Eugen traf ich hier dann auch ganz schnell“, erzählt sie mit einem Lächeln. 1939 verlobte sich das Paar. Im Kriegsurlaub, am 13. November 1943, wurde geheiratet. Sohn Erich kam im August 1944 auf die Welt und musste fünf Jahre alt werden, bis er seinen Vater kennenlernte, weil der erst im November 1949 aus der Kriegsgefangenschaft in Sibirien heimkehrte.

Erich bekam mit Helga (1950) und Marion (1954) noch zwei Schwestern – beide Töchter Lilli Rühls sind jedoch schon verstorben. Tochter Helga war auch der Grund, warum die Familie zu den Guttemplern fand. Lilli und Eugen Rühl bauten die Selbsthilfegruppe für suchterkrankte Menschen und ihre Familien in Egelsbach auf – über 35 Jahre gab es die wöchentlichen Gruppentreffen im Bürgerhaus. Es gibt ein paar Anekdoten aus dem Leben der fröhlichen Egelsbacherin, an die sie sich gerne erinnert: „Otto Höpfner, ein großer Moderator vom Hessischen Rundfunk, war in Egelsbach und ich durfte mit ihm auf der Bühne stehen. Bei Jörg Bombach habe ich es dann später auch noch ins Fernsehen geschafft. Ich war sein Joker für den Rhön-Dialekt“, erzählt die Jubilarin. Mit ihrem Mann Eugen feierte Lilli Rühl noch eiserne Hochzeit für 65 Jahre Ehe, bevor er 2010 starb. Heute erfreut sich Lilli Rühl an drei Enkelkindern und acht Urenkeln. Ihre Tage verbringt sie noch sehr selbstbestimmt in ihrer eigenen Wohnung. Sohn Erich und Lillis Schwiegertochter sowie ein Enkel leben mit im Haus. „Sie versorgen mich mit Essen, den Rest kann ich noch alleine erledigen“, sagt die Hundertjährige. Sie habe nie geraucht, nie getrunken und musste sich niemals einer Operation unterziehen, dies seien wohl die Gründe für ihr hohes Alter.

„Ich mache den ganzen Tag Kreuzworträtsel, das hält mich fit im Kopf“, erklärt die Jubilarin ihren frischen Geisteszustand.

Ein großes Hobby ist auch das Dichten. Sie war selbst viele Jahre im Egelsbacher Literaturkreis aktiv, jetzt reimt sie nur noch für die Verwandtschaft. Die Zeilen sind überraschend aktuell und frech: Das Coronavirus bekommt ebenso sein Fett weg wie US-Präsident Donald Trump oder das Finanzamt. „Manchmal singe ich auch laut alte Wanderlust-Lieder. Ich denke dann, die anderen sind überzeugt, dass ich jetzt endgültig durchdrehe. Aber ganz ehrlich: Ich freue mich auf jeden einzelnen Tag, den der Herrgott mir schenkt.“