Emily Schönfeld und Sven Rühl beraten Jugendliche bei Fragen rund um das Thema Sexualität „Outing Blog“ im JUZ gibt jungen Menschen Kraft

Oft bekommen Emily Schönfeld und Sven Rühl die Frage zu hören: Ich bin schwul, wie sag ich es zu Hause? Foto: man

Mühlheim (man) – Vieles ist viel besser geworden. Bis Ende der 60er Jahre standen schwule Männer oft mit beiden im Knast. Heute verbergen etliche Politiker nicht mehr mehr ihre Homosexualität, eine Kießling-Affäre wäre undenkbar, gleichgeschlechtliche Paare dürfen sogar heiraten.

All der Fortschritt bedeutet aber mitnichten, dass es Jugendliche automatisch leichter haben, wenn sie merken, den Jungen vom Pausenhof oder die Kollegin aus der Hockeymannschaft etwas mehr als nett zu finden. Ab sofort stehen Emily Schönfeld und Sven Rühl vom Kronberger Verein „Outing Blog“ auch in Mühlheim regelmäßig für ein Gespräch im Jugendzentrum an der Rodaustraße zu Fragen um das Thema Sexualität bereit. Die Achtzehnjährigen lernten einander vor zwei Jahren an den „Beruflichen Schulen Berta Jourdan“ in Frankfurt kennen. Nach dem Fachabitur planen beide, Sozialpädagogik zu studieren.

Das Thema Outing spielte im noch jungen Leben von Sven Rühl eine tragische Rolle. Als Zwölfjähriger hatte Sven das Gefühl, sich in seinen besten Freund verliebt zu haben, „ich erzählte es ihm“. In einem französischen Film stünde das für den Beginn einer unterhaltsam erzählten Geschichte. Im Kontext einer Realschule in Frankfurt Nordweststadt hört sich das nach einem abrupten Ende der Bekanntschaft an. Was Sven überraschte: Der beste Freund empfand für ihn ähnlich. Das Glück endete bald. Svens Freund starb an einer erst kurz vor dessen Tod diagnostizierten Leukämie. Von der neuen Liberalität, die sich in schwulen Ministern und lesbischen Moderatorinnen spiegelt, merkte Sven nichts, der von den tagtäglichen Demütigungen seiner Realschulzeit erzählt, „ich wurde bespuckt und geschlagen“. Er könne nicht zählen, wie oft er einen Satz wie „Du scheiß Schwuchtel“ zu hören bekam.

Was in modernen Zeiten wundert, „auch ein Pädagoge beteiligte sich am Mobbing“. Er könne sich nicht mehr an jeden homophoben Ausspruch des Biologielehrers erinnern. Der soll etwa formuliert haben: „Wer als Mann auf Männer steht, hat an der Schule nichts zu suchen.“

Bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr führte Sven seinen Eltern ein potemkinsches Dorf an sexueller Orientierung vor. Oft brachte er die beste Freundin mit nach Hause, die Bescheid wusste. Auf dem Sofa hielt man Händchen. Vor zwei Jahren klopfte Sven schließlich bei seinen Eltern an, „ich muss mal mit euch reden“. Mutter und Vater beschwiegen Svens Outing lauthals. Der Ton verschärfte sich, wenn es um die Frage nach gespülten Töpfen und hinaus getragenem Müll ging, „plötzlich gab alles Anlass für Geschrei“. Ansonsten hörte man beim Essen nur noch den Löffel durch den Suppenteller fahren. Im August 2019 starteten Emily Schönfeld und Sven Rühl mit ihrem Gesprächsangebot von “Outing Blog e.V.“ im Jugendzentrum Oberhöchststadt. Für den vergangenen Samstag organisierte der Club im JUZ anlässlich seines zweijährigen Bestehens eine Party. Im Gespräch wird Rühl kurz nach unten gerufen. Ein paar männliche Jugendliche benehmen sich respektlos, klopfen homophobe Sprüche und bewerfen die Frauen an der Kasse mit Nüssen. Rühl bekommt sie in den Griff.

Die beiden Ansprechpartner schätzen aus dem Stegreif, dass sich seit dem Startschuss zwischen zwanzig und dreißig Jugendliche mit dem konkreten Problem an „Outing Blog“ wendeten: „Ich bin schwul, wie sag ich es zu Hause?“

Die meisten stört nur jene Diskriminierung, die sie selbst ausgrenzt. Vor kurzem meldete sich ein 16-jähriger Araber, der plante, mit seinen Eltern zu reden. Die zwei erklärten ihm, wie er hinterher in einer Wohngemeinschaft für Jugendliche unterkäme. Seine Eltern reagierten, wie vermutet: „Du bist nicht mehr unser Sohn.“

Im September veröffentlicht Sven Rühl ein Buch über die eigenen Erfahrungen. Der Titel: „Du scheiß Schwuchtel.“

Die Vertreter von Outing Blog e.V. sind montags von 15 bis 19 Uhr im JUZ an der Rodaustraße 16 anzutreffen, freitags zwischen 15 und 22 Uhr. Im Netz findet sich der Verein unter www.outingblog.de Email: info[at]outingblog[dot]de.