Dominik Stier ist seit fünf Jahren ehrenamtlicher Schiedsmann in Mühlheim Krach unter Nachbarn steht hier auf der Tagesordnung

In den meisten Fällen gelingt es Dominik Stier die zerstrittenen Parteien von einer Aussprache zu überzeugen, sodass sich ein Prozess vermeiden lässt. Foto: man

Mühlheim (man) – Vor allem bei Krach unter Nachbarn wird Dominik Stier oft aktiv. Der 37-jährige agiert seit fünf Jahren als Schiedsmann. Nur wenn sich in seiner Gegenwart keine Lösung findet, darf der Kläger ein Gericht bemühen. Meist gelingt es Stier, die Parteien miteinander so ins Gespräch zu so bringen, dass sich ein Prozess vermeiden lässt.

Der SPD-Stadtverordnete arbeitet für die Offenbacher Hochschule für Gestaltung als Justiziar. Die ehrenamtlichen Schiedsleute müssen jedoch keineswegs Juristen sein. „Meist steht das Rechtsproblem ohnehin nicht im Mittelpunkt“, beobachtet Dominik Stier. Der Schlichter erzählt die Geschichte zwei älterer Damen, die friedlich nebeneinander in Doppelhaushälften lebten, bis es rumorte.

Das Besondere an dem Fall liege darin, „dass beide den Sachverhalt gleich schilderten.“ Beide berichteten von nächtlichem Klopfen, für dessen Kausalität sie einander bezichtigten. Zwischendurch habe sich die Stimmung derart im Keller bewegt, dass beim Bewässern des Gartens der Schlauch schon mal nicht so ganz versehentlich für einen kurzen Moment auf die Nachbarin zielte.

Stier berichtet, an einer kaputten Heizung liege es nicht, „in jeder Hälfte war die topp gewartet“. Die beiden waren sich auch einig, dass zwischendurch das Klopfen für eine Woche pausierte. Letztlich lasse sich über die Lärmquelle nur spekulieren. „Ich kann dort nicht Nächte vom Sofa aus lauschen“, skizziert Stier Grenzen seines Ehrenamts. Bei der Schlichtung hätten die Frauen das erste mal seit Langem wieder sachlich miteinander gesprochen. Die Nachbarinnen seien hinterher sogar gemeinsam nach Hause gegangen. Ein Schlichter kann auch eingreifen, wenn es um strafrechtlich relevante Themen geht, wie etwa Beleidigung. Stier erzählt, wie sich der Freund einer Frau mit deren Wohnungsnachbarin bei zufälligen Treffen auf dem Flur so gar nicht verstanden habe. Einen Ausspruch im Sinne „da kommt dieser Kerl schon wieder“, konterte der Mann mit dem Gebrauch des Wortes „Arschloch“. Kein Offizialdelikt, aber ein Straftatbestand, für den es bis zu einem Jahr Gefängnis geben kann.

Die Polizei schickte die Anzeigenstellerin zu Stier, der mit beiden sprach. Der Zwist ließ sich mit einer Entschuldigung und einer Tafel Schokolade aus der Welt schaffen, „es hilft die Wogen zu glätten, wenn der Beleidiger etwa erklärt, ‘ich stand an dem Tag unter Stress’“. Ein Klassiker der Nachbarstreitigkeit sei die zu hoch, zu breit gewachsene Thuja-Hecke, die zu einer Diskussion führen kann, die sich emotional auflädt. Da ärgere sich beispielsweise jemand schon länger, „irgendwann platzt es am Gartenzaun aus ihm heraus“. Dann gibt ein Wort das andere. Die Thuja-Hecke wird dann mit dem Komposthaufen retourniert. Stier erlebt, wie in solchen Momenten auch Themen Relevanz gewinnen, die weit zurückliegen, „1978, als Du die Garage bautest, da hast Du doch...“. Letztlich gelänge es seinem Stellvertreter Alfons Ott und ihm, in über 80 Prozent der Fälle den Gang zum Richter zu vermeiden, „meist hilft es, dass die Kontrahenten in neutraler Umgebung einmal offen miteinander reden“.

Manchmal nutzt das aber nichts, wie in dem Fall, als ein Mann sich zehn Hühner und zwei Hähne anschaffte. Seitdem können die Nachbarn nicht mehr schlafen, weil die Hühner nachts oft aufgeschreckt gackern. Beim Schlichtungstermin habe der Besitzer über das Sozialverhalten seines Geflügels referiert, was die übermüdeten Nachbarn nicht interessierte. Der Hühnerfreund bekannte bei der Gelegenheit, was ihm am Paar von nebenan bei dessen Einzug schon missfiel, „die stellten sich nicht vor“.