Stadtbücherei erfüllt in Corona-Zeiten wichtige Funktion Literatur hat stets Konjunktur

Herzlicher Empfang für Leseratten und Bücherwürmer: Inka Mueller (rechts) und Esther Rögner von der Stadtbücherei in der Willy-Brandt-Halle.

Mühlheim – Nicht selten stehen vier, fünf oder sechs Leseratten geduldig vor dem Eingang der Mühlheimer Stadtbücherei, ein paar Bücher unterm Arm oder in der Stofftasche. Sie kommen gern zur Bibliothek in der Willy-Brandt-Halle. Das Warten lohnt sich. In diesen Tagen gilt: Nur fünf Personen dürfen sich neben dem Personal zwischen den Regalen aufhalten. Und möglichst kurz, damit die draußen sich nicht die Füße in den Bauch stehen. Über mangelnden Zuspruch kann sich Inka Mueller jedenfalls nicht beklagen.

Die Herrin über 16 000 Medien, physische Bücher, Tonies (interaktive Hörspiele), Hörsticks und -bücher, Spiele, Zeitschriften und DVDs, resümiert: „In der Pandemie lief’s bisher grundsätzlich gut.“ Schließlich zählten die öffentlichen Bibliotheken zu jenen Häusern, die gleich nach dem erstem Lockdown durchgängig geöffnet sind. Und Mühlheims Bevölkerung nutzt das Angebot gerne. Durch die Einlass-Beschränkung auf fünf Gäste und die 3G-Regel erscheinen allerdings weniger Leute vor der mit Plexiglas abgetrennten Rezeption, sagt Mueller. „Früher verteilten sich ganze Familien in den Gängen, jetzt leihen Mama oder Papa Lesefutter und Geschichten zum Lauschen für alle daheim aus“.
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Bei den Jüngsten seien Tonies besonders beliebt, Figuren, die auf eine Box gesetzt werden und eine Folge der Lieblingsserie vortragen.

„Das System ist für die Kleinen einfacher, als eine CD im Abspielgerät zu starten“, demonstriert die Fachangestellte für Medien und Information die Installation. „Der Trend hat aber nichts mit der Pandemie zu tun“, betont sie. Dagegen wurde der Online-Katalog in den vergangenen zwei Jahren vermehrt für Bestellungen von daheim genutzt, und das liege schon an Corona.

Der PC mit Office-Anwendungen und Internetzugang sowie die gemütliche Lese- und Arbeitsecke fristen dagegen ein verwaistes Dasein. Auch die Fächer mit den Gesellschaftsspielen sind mit weiß-rotem Flatterband versehen, Qwirkle, Carcassonne, „Der Herr der Ringe“ und Monopoly dürfen aufgrund der Hygieneverordnung nicht ausgegeben werden.

Schon seit sechs, acht Jahren verzeichne die Kinder- und Jugendabteilung die meisten Ausleihen. „Bilderbücher sind sehr beliebt, da gibt’s keine Inhalte oder Autoren, die herausragen“, erläutert die Leiterin. Viele Mädchen und Jungen freuen sich nicht nur über Märchen der Brüder Grimm, sondern auch über moderne Erzählungen. „Und wenn ihnen vorgelesen wird!“

Bei den Erwachsenen stehen – wie schon immer – Krimis ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Große Namen sind gefragt: Wenn ein neues Werk von Nele Neuhaus erscheint, müssen Mueller und ihre Kolleginnen Esther Rögner und Margit Schwarbach schon mal eine Warteliste anlegen. Obwohl bis zu drei Exemplare in den Bestand aufgenommen sind. „Manchmal ist das nur ein kurzer Hype, dann will den Band keiner mehr“, beobachtet Inka Mueller. „Aber eigentlich wird alles gelesen.“ Etwa 3 000 Bücherei-Ausweise sind ausgestellt, rund 1 200 aktuell in Gebrauch. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass ein Pass manchmal für fünf Personen genutzt werde.

Einen Aufschwung erfuhr die Onleihe durch das Virus. Registrierte Bücherwürmer können sich per Handy oder Computer zu jeder Tages- und Nachtzeit Lesestoff aufs Display laden, und das kostenlos. „Es gibt zwei Lager“, stellt Inka Mueller fest. „Die einen schmökern nur in Papier, die anderen sind offen.“ Ganz viele Kundinnen und Kunden fahren nicht nur während der Schließungen „zweigleisig, je nach Angebot, was sie wo finden“. Die Onleihe sei nicht immer mit den neuesten Erscheinungen ausgestattet, weil viele Verlage ihre Bestseller erst mit Verzögerung freigeben.

Von Michael Prochnow