„Geschlürft wird immer“ Mühlheimer Geschichtsverein erinnert an früher

Egon Förster beim Erzähl-Cafe des Geschichtsvereins im gut besuchten „Cafehaus“ im Stadtmuseum. Er berichtete über die Bäckerei und Konditorei, die seine Eltern in Bieber besaßen und in der er den Beruf des Konditors erlernte. Foto: Geschichtsverein/p

Mühlheim (red) – Wer kann sich vorstellen, dass ein Bällchen Eis einmal fünf Pfennige an Scheingeld – Münzen gab es damals noch nicht – kostete und ein Wasserweck vier Pfennige. Goldnüsse waren damals zum Herausgeben je Stück ein Pfennig wert.

Unvorstellbar ist auch: Eine Konditorei hielt für den Bedarf der vielen Eier zum Kuchen- und Tortenbacken eine eigene Hühnerbatterie von 32 Tieren; um eine staatliche Überprüfung zu umgehen wurde ein Teil der Hühner im Bunker unter künstlichem Licht versteckt.

Dies und vieles mehr erfuhren die Besucher der dritten Rahmenveranstaltung, die der Geschichtsverein zur Ausstellung „Geschlürft wird immer“ im Stadtmuseum anbot. Zu Gast war Egon Förster, ein Mühlheimer Bürger, dessen Eltern während der Kriegszeit und danach eine Bäckerei und Café in Offenbach–Bieber besessen hatten.

Es war eine kurzweilige Stunde, die Förster, selbst gelernter Konditor, gewürzt mit vielen persönlichen Erlebnissen unterhaltsam, aber auch nachdenklich zum Besten gab. So erfuhr man, dass 1942 eine drastische Reduzierung der Lebensmittel-Rationen erfolgte, Backwaren wie Brot und Brötchen wichtiger waren als Konditorwaren, die eher als Luxusangebote galten. Seine Eltern wussten sich aber auszuhelfen. Sie verarbeiteten bei Kuchen und Torten einheimisches Obst, Eingemachtes oder Quark. Er erinnerte, dass 1944 ein Engpass bei der Zuckerversorgung entstand, der einen Bezugsrückgang zur Folge hatte und deshalb Rübenkraut als Ersatz herhalten musste. Oder nach dem Krieg zu Kühlzwecken Stangeneis mit Pferdefuhrwerken herantransportiert wurde, das dann in einer Betonwanne aufbewahrt wurde. Und es gab eine Eismaschine aus Holz, mit deren Hilfe Schleckereien mit Vanille-, Schokoladen- oder Aprikosengeschmack hergestellt wurde.

Aus Milch und Butter wird Sahne

Förster berichtete, wie aus Milch und Butter Sahne gemacht wurden, damit auch Buttercremetorten und Schwarzwälder-Kirschtoren hergestallt werden konnten. „Ostern und Weißer Sonntag waren unsere besten Geschäftstage“, erinnert sich der Referent.

Spezialität der Försters, Egon erlernte bei seinem Vater den Beruf des Konditors, waren dann die Schokoladen-Nikoläuse und Schoko-Osterhasen. „Wir haben mal einen Güterwagen voll mit Hasen für Edeka–Süd produziert“. Geschäftlich gesehen waren die Kickersspiele unweit auf dem Bieberer Berg für die Försters ein erfreuliches geschäftliches Highlight. Da es damals nicht üblich war, dass Männer auch ihre Frauen zum Spiel auf dem Berg mitnahmen, gingen die Frauen in Försters Café an der Aschaffenburger Straße. Nach dem Spiel kamen die Männer wieder zu ihren Frauen in das Cafehaus.

Eine Badewanne voller Wasser

Rückblickend erinnerte Egon Förster seine Zuhörer, daran zu denken, dass „es uns heute doch sehr gut geht. Wir mussten damals immer eine Badewanne voll Wasser vorhalten, weil es nicht immer Wasser gab“. Das gleiche galt auch für den Strom, der gelegentlich ausgefallen war. „Wenn man sich heute vorstellt, worüber wir uns aufregen, dann sind das letztlich Kleinigkeiten“, meinte Förster.

1960 schlossen Bäckerei und Konditorei, nachdem Vater Förster nach drei Herzinfarkten in noch jungen Jahren verstarb.