Karate hilft beim Deutschlernen

Ein gezielter Tritt gegen die „Pratze“ ist der Höhepunkt des Karatetrainings. Bild: eyssen

Ober-Roden – Kriegswaisen aus der Ukraine versuchen derzeit in der Sporthalle der Nell-Breuning-Schule, die Schrecken ihrer Heimat zumindest für einige Stunden zu vergessen. Sie absolvieren mit Mitgliedern des Gesundheits- und Kampfsportvereins (GKV) Lotus Eppertshausen/Rödermark seit einigen Wochen ein Karate-Training.

Die elf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 8 bis 19 Jahren kommen aus einem Waisenhaus in Charkiw. Sie flüchteten mit ihrer Erzieherin vor dem Krieg, sie wohnen seit Anfang Oktober in Klingenberg am Main.

Wie kam es zum Karate-Training im rund 50 Kilometer entfernten Ober-Roden? Serdar, der Besitzer des Hauses in Klingenberg, kennt GKV-Trainer Tim Krasnici. „Er ist ein guter Freund von mir. Wir kamen ins Gespräch. So entstand die Idee, dass die Kinder doch bei uns trainieren könnten“, berichtet Krasnici.

Serdar und seine Familie hatten im Sommer in Klingenberg ein Nachbarhaus gekauft, um es umzubauen und mittelfristig für sich selbst nutzen zu können. „Das hat dann der Bürgermeister mitbekommen, den kenne ich durch den Fußballverein“, berichtet Serdar. Schließlich kam die Anfrage durch den Kreis, der dringend ein Quartier für die ukrainischen Waisenkinder benötigte. „Ich habe sofort ja gesagt. Sie können das Haus so lange nutzen, so lange sie es benötigen.“ Unter den in Klingenberg Zuflucht suchenden Waisenkindern sind auch welche mit Behinderung.

„Die Kinder freuen sich schon immer mehrere Tage vorher auf das Training“, sagt Serdar. Er ist froh, dass die Kinder das Angebot in Rödermark angenommen und im Training schnell Fortschritte gemacht haben. Daran hätten natürlich die Trainer des GKV Lotus großen Anteil. „Das sind ja echte Profis hier“, lobt Serdar. Tim Krasnici freut sich, dass die Kinder mit riesiger Begeisterung dabei sind: „Man muss nur in ihre Gesichter schauen.“

Ernes Erko Kalac, der Vorsitzende des GKV Lotus, kam einst selbst als Flüchtling aus dem Jugoslawien-Krieg nach Deutschland. Er weiß daher, wie wichtig etwa Sportangebote für Flüchtlinge sind. „Hier bauen die Kinder Hemmungen ab, lernen auch die Sprache schneller“, sagt Kalac. „Ehrenamtliche Hilfe und Unterstützung war auch für mich immer sehr wichtig“, berichtet Ernes Erko Kalac von seinen persönlichen Erfahrungen. „Das hat meinen Anfang hier in Deutschland damals sehr erleichtert“, ist die Hoffnung groß, dass es den Waisenkindern aus der Ukraine ähnlich ergeht.

Von Sascha Eyssen