Awo zeichnet Luise Wolff mit dem Kirchnerpreis aus Genau hinschauen

Neben dem Bild von Johanna Kirchner stehen (von links) Barbara Klein , Luise Wolff und Steffen Krollmann. Bild: Jeannette Faure

Ostend (jf) – Wie passt das Videoportal Tik Tok zur Awo? Und gar zu Johanna Kirchner, der ermordeten Widerstandskämpferin und Mitgründerin der Arbeiterwohlfahrt? Steffen Krollmann, seit vier Jahren Vorstandsvorsitzender der Awo Frankfurt, bezeichnete den von Luise Wolff vorgelegten Text „Bildungsarbeit gegen Antisemitismus auf Tik Tok“ als „brandaktuell“. Das Thema Judenfeindlichkeit bestimme derzeit das politische Tagesgeschehen. Für ihre Arbeit wurde Wolff mit dem Johanna-Kirchner-Preis ausgezeichnet.

Seit 13 Jahren verleihen die Awo Frankfurt und die Frankfurt University of Applied Sciences (UAS) den Johanna-Kirchner-Preis für einen wissenschaftlichen Beitrag der Studierenden im Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit.

In ihrem Grußwort sagte Professorin Barbara Klein, Dekanin des Fachbereichs Soziale Arbeit und Gesundheit: „Der Preis ist auch eine Wertschätzung für das Engagement der Hochschule gegen Antisemitismus“. Dabei gehe es um eine klare Haltung.

Jurymitglied Professor Michael Behnisch teilte mit, dass sechs Arbeiten für den Johanna-Kirchner-Preis eingereicht worden seien. Bei der prämierten Arbeit gehe es um unterschiedliche Positionen der Jugendlichen und eine klare Haltung dazu. „Bildungsprozesse werden dabei hinterfragt, das ist relevant für die Praxis. Die Arbeit enthält methodische Ansätze und ist politisch bedeutsam. Es ist eine kritische Betrachtung von Welt und Wirklichkeit.“

Tik Tok sei von der Spaß- zur Informations- und Bildungsplattform für Jugendliche geworden und habe mittlerweile weltweit mehr als eine Milliarde User und damit einen großen Einfluss. „Es ist schwierig, gegen unkorrekte Darstellungen vorzugehen. Diese Lücken werden deutlich gemacht“, würdigte der Laudator.

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Doch seien junge Menschen mittels Richtigstellungen allein kaum erreichbar. Man dürfe weder resignieren noch hoffen, mit moralischen Appellen etwas auszurichten. „Luise Wolff zeigt auf, welche Bildungsarbeit funktioniert. Deshalb ist es ein außergewöhnlicher Text“, schloss Behnisch.

Seinen Einwurf begann Bernhard Frenzel, Abteilungsleiter Jugendarbeit bei der Awo, mit einem Zitat der Film- und Serienfigur Wednesday Addams: „Soziale Medien sind für mich ein seelensaugender Hohlraum der bedeutungslosen Bestätigung.“ Nicht zu leugnen sei, dass Tik Tok zu einem wichtigen Medium für Jugendliche geworden ist. „Früher trafen sich die jungen Leute draußen in ihren sozialen Räumen, heute sind sie anonym auf Social-Media-Kanälen unterwegs, auf denen kaum Erwachsene zu finden sind“, stellte Frenzel fest. Bei der Sozialarbeit in den Jugendeinrichtungen gehe es um den direkten, wertschätzenden Austausch. Man ist zwar in einem geschützten Raum, aber nicht anonym. „Wir schauen uns gemeinsam Videos an, entschlüsseln Codes und analysieren Verschwörungstheorien. Daraus lernen die Jugendlichen“, sagte Frenzel, „so gesehen sind wir kleine Influencer.“

„Ich freue mich sehr über den Preis“, äußerte Luise Wolff. Das Thema sei aus ihrer Praxis in der politischen Bildungsarbeit entstanden. „Es war cool, dass ich mir Zeit dafür nehmen konnte.“

Sie nannte als Haupterkenntnisse ihrer Studie: „Antisemitismus ist auf Tik Tok verbreitet, die Plattform ist mit allein 150 Millionen Usern in Europa relevant geworden. Sie funktioniert anders als andere Media-Kanäle; Algorithmen bestimmen, was Usern gezeigt wird.

Noch gebe es zu wenige wissenschaftliche Studien und daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen.“

Wolff beschäftigte sich etwa ein Dreivierteljahr mit ihrem Thema. Sie will nach dem Bachelor den Master abschließen und dann promovieren.