Welche ist die beste Religion? Lessings „Nathan der Weise“ beim Theater Willy Praml

Teilnehmer der Pressekonferenz im Theater Willy Praml, darunter der Theaterchef (Zweiter von rechts) und Kulturfonds-Geschäftsführer Helmut Müller (Zweiter von links). Foto: Faure

Ostend (jf) – Seit 2015 beschäftigt sich das Theater Willy Praml mit dem Thema Transit. Zeitgleich ist dieses Sujet in einem breit angelegten Programm des Kulturfonds Frankfurt RheinMain von 2015 bis Ende 2018 ein Schwerpunktthema. Da liegt eine Kooperation nahe.

„Zwei Tage nach unserer Premiere von Anna Seghers ‚Transit’ standen Hunderttausende Flüchtlinge vor unseren Grenzen“, erinnerte Praml beim Pressegespräch. So schlug sich die Weltlage zunächst unverhofft im Theater nieder. 2016 stellte sich das Ensemble die Frage, wie es Geflüchtete einbeziehen kann. „Das Erdbeben von Chili“ (Heinrich von Kleist) wurde inszeniert – dreisprachig und mit Geflüchteten. „In diesem Stück kommen Literatur, Flucht und Trauma zusammen“, kommentierte der Theaterchef.

Als drittes Projekt erarbeitete das Ensemble um Willy Praml Gotthold Ephraim Lessings 1779 veröffentlichtes Drama „Nathan der Weise“: „Damit ist eine unerwartete Trilogie entstanden“, sagte Praml. Acht Schauspieler aus dem Kleist-Projekt, das eigene Ensemble und einige Gäste werden im „Nathan“ auf der Bühne stehen, dazu Mitglieder des Interreligiösen Chores unter der Leitung von Bettina Strübel. Die Araber – alle aus Syrien stammend – bilden den Feuerwehrchor, der gleich zu Beginn auftritt, als Nathans Haus brennt.

Stück spielt in Jerusalem

Im Stück, das in Jerusalem spielt, stehen sich die drei großen Religionen Judentum, Christentum und Islam gegenüber. „Man merkt im Drama, was sich alles zusammenbraut vor dem Dritten Kreuzzug (1189 bis 1192)“, erklärte der Theaterleiter. „Nathan agiert in einer Blase und versucht, zwischen den einzelnen Religionsangehörigen auszugleichen. Aber es ist ein Tanz auf dem Vulkan“, sagte Praml. Genau diese Stimmung soll vermittelt werden.

Helmut Müller, Geschäftsführer des Kulturfonds, verwies auf die Metaebenen hinter dem Schwerpunkt Transit, auf Umbrüche und Veränderungen. „Das Theater hat eine unglaubliche Funktion“, bestätigte er. Soheila Kiani-Dorff, Psychoanalytikerin und bereits Begleiterin der im Kleist-Stück auftretenden Geflüchteten, unterstrich: „In Zeiten der Massenabschiebungen bietet das Theater Zuflucht und Arbeitsmöglichkeiten, das ist überaus wichtig.“

„Weg vom Nathan-Klischee"

Der syrische Schauspieler Muawia Harb, ebenfalls bereits bei Kleist dabei, schilderte seine Eindrücke: „Das deutsche Theater ist total anders als das syrische. Für uns als Araber war die deutsche Sprache sehr schwierig.“ Andererseits sei die Arbeit mit Willy Praml einfach und gut, die Naxoshalle ein toller Ort. „Das Stück ist sehr wichtig für uns, denn es geht nicht um Religionen, sondern um gute und böse Menschen“, erklärte Harb. „Die Araber lasen das Stück und wunderten sich, dass es auch gute Juden gibt“, bemerkte Dramaturg Michael Weber am Rande.

„Wir wollen weg vom Nathan-Klischee, deshalb spielt unser jüngster Schauspieler Jakob Gail (36) auch den Nathan und nicht, wie sonst üblich, der älteste Mime“, erklärte Praml. Birgit Heuser bekräftigte: „Aus unseren aufgrund der knappen Mittel kleinen Projekten sind mit Hilfe des Kulturfonds und der Stiftung Polytechnische Gesellschaft nun große geworden.“ Ein ergreifende kleine Geschichte gibt es außerdem: Auf der Bühne wird auch eine Sängerin stehen, deren Großvater bis 1938 als Ingenieur bei Naxos arbeitete. Dann wurde er aufgrund seiner jüdischen Abstammung entlassen. So schließen sich Kreise. „Nathan der Weise“ hat am 28. April Premiere, weitere 15 Aufführungen sind im April, Mai und Juni geplant.