Bücher, Fotos und eine Lampe Neues vom Archiv der Budge-Stiftung

Volker Hütte und Andrew Steiman mit der seltsamen und weitgereisten Lampe. Foto: Faure

Seckbach (jf) – „Mit dem Historiker Volker Hütte, der unserer Stiftung seit vielen Jahren verbunden ist, kam Ordnung in die Sammlung“, begrüßte Thorsten Krick, Geschäftsführer der Henry und Emma Budge-Stiftung, die Gäste zur bevorstehenden Eröffnung des Archivs. „Viele Bewohner haben besonders in den letzten anderthalb Jahren wertvolle Dokumente und Materialien gespendet. Ihnen gilt ein großes Dankeschön“, fügte Krick hinzu.

Volker Hütte verwies auf einen Glücksfund vor zehn Jahren: „Im Januar 2007 begann die Suche nach Spuren des ehemaligen ersten Budge-Heims im Edingerweg. Bereits Paul Arnsberg und Arno Lustiger hatten dazu geforscht, aber wenig herausgefunden. Entscheidend war dann ein Hinweis von Michael Lenarz vom Jüdischen Museum. Er gelangte zu einem Budge-Heim in der Eschersheimer Landstraße. Daraufhin fanden wir im Institut für Stadtgeschichte Hausstandsbücher – und so alle Namen. Wir kommen heute an das Ende einer langen Reise.“ Der hauseigene Arbeitskreis „Erinnern und Gedenken“ habe an der Erforschung der Geschichte der Stiftung einen großen Anteil gehabt. „Und nun hat die Stiftung ein eigenes Archiv – wenn auch in einem kleinen Raum“, sagte Hütte.

Insgesamt sind 34 Archivkartons

1920 gründete Henry Budge die Stiftung, zwischen 1929 und 1930 entstand die Altenwohnanlage, das erste Budge-Heim, am Edinger Weg, der Stifter erlebte das leider nicht mehr – er starb 1928. „Die Nazis haben die Stiftung nach dem Tod Emma Budges 1937 widerrechtlich aufgelöst. Doch 1956 konnte sie wieder aktiviert werden. Wie die Nazis die Stiftung erpresst haben, kann nun im Detail nachgewiesen werden“, bemerkte Hütte. „Wir konnten allen 23 ehemaligen jüdischen Heimbewohnern, die den NS-Terror nicht überlebten, einen Namen geben, vielen ein Gesicht und einigen eine Geschichte“, sagte der Historiker. Die Namen stehen auf der Gedenkstätte vor der Budge-Stiftung, die am 9. November 2011 feierlich eröffnet wurde. Wichtige Unterlagen zur Geschichte der Stiftung wurden im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, im Jüdischen Museum, im Leo Beck Institut New York und im Hessischen Staatsarchiv gefunden.

„Das Archiv beherbergt Tagebücher, Berichte, Briefwechsel, Fotos, Interviews, Bücher, Tonträger, Filme. Der Film ‚Wo wohnen alte Leute’ von Ella Bergmann-Michel, 1931, der das erste vom Architekten Mart Stam entworfene Budge-Heim zeigt, ist auch darunter und unter www.budge-stiftung.de bestellbar“, ergänzte Volker Hütte.

Insgesamt sind 34 Archivkartons mit vielen einzelnen Mappen zusammengekommen. Ein paar Preziosen hatte der Historiker mitgebracht; beispielsweise ein kostbares Gedichtbuch von Bertha Budge, der Schwester von Henry Budge. Sie hatte darin mit eigener Hand Lyrik eingetragen. Die Hausstandsbücher von 1967 bis etwa 2000, vor der Digitalisierung, gehören ebenso dazu wie ein Katalog zur Zwangsversteigerung der Kunstsammlung von Emma Budge.

Eine merkwürdig aussehende Lampe

Rabbi Andrew Steiman steuerte noch etwas Besonderes bei: Eine merkwürdig aussehende Lampe. „Die hat eine lange Geschichte, wurde zunächst in der jüdischen Gemeinde von Shanghai als ewiges Licht genutzt, ging offensichtlich mehrfach kaputt, wurde gelötet, begleitete das jüdische Ehepaar Warschauer auf der Flucht von Shanghai nach Australien, landete in Davos und kam bis nach Frankfurt. Sie stammt aus dem Nachlass von Margot Warsi.“ Warsi? Der Name ist einfach zu erklären; in Shanghai war „Warschauer“ unaussprechlich für die Chinesen, also kürzte man auf ein moderates Maß.

Petra Scheschonka, die zurzeit die Bibliothek der Budge-Stiftung betreut, wird zusätzlich das Archiv übernehmen. Es soll jeden Donnerstag zwischen 14 Uhr und 16 Uhr geöffnet haben. „Allerdings müssen ausgeliehene Gegenstände im Haus bleiben. Aber es gibt die Möglichkeit, Kopien gegen kleines Geld anfertigen zu lassen. Das Archiv soll nicht nur den Bewohnern zur Verfügung stehen, sondern allen Interessierten“, fügte Hütte hinzu. „Das Archiv soll leben und weitergeführt werden, das ist uns wichtig“, ergänzte Michael Dietrich, Sozialer Dienst. „Und wir sollten überlegen, ob wir nicht eine Ausstellung machen – vielleicht zum 100. Bestehen der Stiftung im Jahr 2020“, blickte Rabbi Steiman in die Zukunft.