Nicht alles, was Frankfurts Skyline ausmachte, ist noch da „Hochhausrevolution frisst eigene Kinder“: Manche Gebäude sind einfach verschwunden

Alt und neu: Nextower und Eschenheimer Turm. Foto: Jan Hassenpflug/p

Frankfurt (red) – Wer an Frankfurt denkt, hat gleich die Skyline vor Augen. Nicht umsonst trägt die Stadt den Beinamen Mainhattan. Doch wie fing das alles an mit den Hochhäusern und wie kam es dazu? Wer Antworten auf diese Frage sucht, stellt fest, dass es einen Teil der einst markanten Bauten nicht mehr gibt. Zudem wäre zu klären, was ist eigentlich ein Hochhaus?

Die Hessische Bauordnung nennt eine Mindesthöhe von 22 Metern. Das hilft nicht weiter, denn die Kandidaten liegen alle darüber. So ist für manche der 1926 fertiggestellte und 33 Meter hohe Mouson-Turm das erste Hochhaus der Stadt. Für viele zählt er nicht, da er seine Höhe nur dem Treppenhaus zu verdanken hat. Oder ist es eher das heute von der Uni genutzte IG-Farben-Haus mit dem Baubeginn 1928, immerhin 35 Meter hoch? Für viele ist es das auch nicht, denn es ragt zu wenig nach oben. „Es ist es eher kein klassisches Hochhaus mit seiner scheibenförmigen Bauart“, sagt Martin Hunscher, Leiter des Stadtplanungsamtes.

Für ihn ist es eher das Gewerkschaftshaus in der Wilhelm-Leuschner-Straße, 1931 erbaut nach Plänen der Berliner Architekten Max Taut und Frank Hoffmann. Eher unscheinbar steht es mit seinen 31 Metern zwischen den Bankentürmen. Doch nach Fertigstellung ragte es deutlich über die Gründerzeitvillen hinaus. Offiziell sollte die Angelegenheit klar sein: 1998 schlug die Stadt das Gebäude für den Hessischen Denkmalschutzpreis vor und begründete das damit, dass es sich um das „erste echte Bürohochhaus in Frankfurt“ handele. Dem Stahlskelettbau ist deutlich anzusehen, dass er im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet wurde: Klare gerade Linien, bei den Materialien dominieren Stahl, Glas und Beton. Es war die Zeit des Neuen Frankfurt und des Stadtbaurates Ernst May, in der die Römerstadt, Höhenblick oder „Zickzackhausen“ als Siedlungen im Stil der klassischen Moderne entstanden.

Gemein haben diese drei Häuser, dass sie bis heute zum Stadtbild gehören. Anders sieht es mit Bauten aus, die in der Wirtschaftswunderzeit der 50er-Jahre und danach entstanden sind. Errichtet während der sogenannten Nachkriegsmoderne, sind etliche wieder verschwunden. So etwa das AEG-Hochhaus. Das erste Bürohochhaus nach dem Zweiten Weltkrieg entstand bis 1951, ragte 43 Meter in die Höhe und beherbergte die Unternehmenszentrale des Elektrokonzerns. Als dieser nach 1996 abgewickelt wurde, erwarb die Allianz das Areal, ließ die Gebäude abreißen und errichtete ein neues Bürozentrum auf dem Grundstück am Theodor-Stern-Kai in Sachsenhausen.

Immer wieder sind in Frankfurt markante Punkte im Stadtbild verschwunden. Hierzu gehört etwa das Fernmeldehochaus in der Innenstadt, ebenfalls erbaut im sachlichen Stil der Nachkriegsmoderne. Mit seinen 69 Metern Höhe und den markanten Antennen war der 1956 fertiggestellte Bau ein optischer Fixpunkt in der damals noch flachen Frankfurter Innenstadt. In ihm und seinen Anbauten befanden sich Schalttechnik und Büros für den Telefon- und Datenverkehr der Bundespost.

Als immer mehr Hochhäuser das Gebäude mit seinen Antennen einkreisten, entschloss sich die Betreiberin, 1979 mit der Richtfunktechnik auf den Ginnheimer Spargel zu ziehen. Denn von dort ließ sich ohne räumliche Hindernisse senden. Gleichzeitig ging der Platzbedarf für die Vermittlungstechnik zurück, elektronische Komponenten lösten die bisher üblichen Relais ab. Die Telekom hatte keinen Bedarf mehr für das Areal am Eschenheimer Turm und verkaufte es. Ein Umbau wäre schwer machbar gewesen, da hier Grundrisse speziell für die technische Nutzung entwickelt wurden. Heute stehen auf diesem und benachbarten Grundstücken das Hotel Al Jumeirah, das Bürohochhaus Nextower und das Einkaufszentrum My Zeil mit Höhen bis zu 135 Meter.

Ebenfalls verschwunden ist das Zürich-Hochhaus.

Entstanden zwischen 1958 und 1960, war es seinerzeit mit seinen 68 Metern eines der höchsten Bauten seiner Art. Mit ihm zog die „International Style“ genannte Architekturrichtung in die Stadt ein. Wie zuvor verzichteten die Architekten zwar auf Schnörkel sowie ähnliche Verzierungen, allerdings kamen jetzt angehängte Fassaden – auch Curtain Walls genannt – zum Einsatz. Die Materialien: Beton, Stahl und Glas. Und die Formensprache zeigte: Man will nach oben, hoch hinaus. „Man nannte diese Bauten auch Kisten“, sagt der Architekturhistoriker Philipp Sturm. In Frankfurt kam die Richtung „hoch hinaus“ zwischen dem damals mit Gründerzeitvillen flach bebauten Westend und der Ruine der Alten Oper deutlich zur Geltung. „Das war schon stilbildend und sehr markant an diesem Ort“, beschreibt Sturm das schlanke, hohe Gebäude an der Westseite des Opernplatzes. Zugleich war es das erste Bürohochhaus im Westend. So markierte es den Beginn der Ausdehnung des Bankenviertels, der in den 60er-/70er-Jahren von Auseinandersetzungen und Wohnraumvernichtung geprägt war.

Diese historische Bedeutung veranlasste die Denkmalpfleger, das Gebäude zu schützen. Die Zürich-Versicherung als Eigentümerin wehrte sich juristisch dagegen und nach einigem Hin und Her durfte das Gebäude 2002 abgerissen werden. „Die Hochausrevolution frisst nun ihre eignen Kinder – und das just in dem Moment, in dem diese erstmals potenziell denkmalwürdig werden“, schrieb der Kunsthistoriker Markus Dauss. Allerdings dürfte das Verschwinden der technisch in die Jahre gekommenen „Büroschachtel“ auch so manchen erleichtert haben.