Neues Buch von Werner Kurz beleuchtet die Tabakgeschichte der Region Hanau und die Zigarrenindustrie

Die Firma Deines war eines der Standbeine der Hanauer Zigarrenindustrie des 19. Jahrhunderts. Bild: pm

Hanau – Was haben Tabakanbau und -verarbeitung mit Hanau, der Stadt des edlen Schmucks, zu tun? Wieso hatte der amerikanische Unabhängigkeitskrieg Einfluss auf die Hanauer Wirtschaft? Und wie hing die Tabakverarbeitung mit der Blütezeit der lithographischen Kunstanstalten, der Zahl der holzverarbeitenden Betriebe und den Kleinbahnen rund um Hanau zusammen? Mit dem Buch „Pfeifchen, Döschen, Wickelbrett“ legt Werner Kurz eine „Kleine Geschichte des Tabaks in und um Hanau“ vor.

Das Buch gewährt Einblick in ein Jahrhunderte umspannendes Kapitel vergessener Hanauer Geschichte, in denen der Tabakanbau für die gräfliche Residenzstadt ebenso wie zahlreiche Orte rundherum, besonders Windecken, große wirtschaftliche Bedeutung hatte.

Mit der Gründung der Neustadt im frühen 17. Jahrhundert kam auch der Tabak durch die weltweiten Verbindungen der niederländischen und wallonischen Neubürger nach Hanau, die Region wurde ein Zentrum des Tabakanbaus und hat bis ins 20. Jahrhundert von der Verarbeitung desselben profitiert. Impulse bekamen auch die Goldarbeiter, lieferten sie doch die kostbaren Döschen für den Hanauer Schnupftabak für Fürstenhöfe und in Adelskreise. Nach einem kompletten Einbruch der Tabakindustrie in der Region Hanau durch die kriegerischen Ereignisse der Napoleonzeit erholte sich der Wirtschaftszweig nur langsam. Wurde der Tabak zunächst nur zu Pfeifen-, Schnupf- oder Kautabak verarbeitet, so bekam in den 1820er Jahren das Schnupfen und Rauchen Konkurrenz durch die Zigarre.

Das Pfeiferauchen überließ das aufkommende städtische Bürgertum fortan den Bauern. Wer als fortschrittlich gelten wollte, rauchte Zigarre. Dass die Zigarre vor den Revolutionsjahren in Berlin als Zeichen von Aufsässigkeit galt, mag heute erstaunen, wenn man die Zigarrenraucher Ludwig Erhard und Konrad Adenauer als Inbegriff solider Bürgerlichkeit vor Augen hat.

Im 19. Jahrhundert kam der Tabakanbau nahezu völlig zum Erliegen. Die Herstellung von Zigarren aus amerikanischem Importtabak indes boomte und löste bald die Produktion von Schnupf- und Pfeifentabak ab. Die Tabakverarbeitung hat der Industrie in Hanau im 19. Jahrhundert vielfältige Impulse gebracht, nicht nur für die Edelmetallgestaltung, die Holzverarbeitung und die grafischen Betriebe. Eine vielfältige Zulieferindustrie für Wickelformen und Zigarrenkisten sowie deren künstlerische Dekoration durch lithografische Anstalten wie Illert und Brüning waren ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das Aufkommen der Zigarette im Ersten Weltkrieg sorgte dann aber für einen rapiden Rückgang der Zigarrenproduktion in Hanau.

Werner Kurz: „Döschen, Pfeife, Wickelbrett – kleine Geschichte des Tabaks in und um Hanau“, 68 Seiten mit vielen Abbildungen, für 17,95 Euro erhältlich im Hanauer Buchhandel oder über hanau-historica[at]sicweb[dot]de. Am Dienstag, 7. November, um 19.30 Uhr hält der Verfasser dazu einen Vortrag in der Karl-Rehbein-Schule.  HA