Ambulanz des Vereins „Strassen-Engel“ kooperiert nun mit dem Kreis Immer mehr Patienten kommen

Die Ärztin Silke Hoffmann-Bär hilft den „Strassen-Engeln“. Bild: Detlef Sundermann

Hanau – An diesem Tag ging es schnell, heißt es. Die meisten Patienten sind schon durch, erklärt Dieter Kobosil, der an dem Mittwoch der Arzt vom Dienst ist. Die beiden Behandlungsräume, der eine fensterlos, der andere mit Tageslicht, sind aufgeräumt.

In den Regalen aus zweiter Hand stapeln sich Arzneien und vor allem Verbandszeug. Am Kopfende einer Behandlungsliege wartet ein Stativ auf die Infusionsflasche, die aber an diesem Tag niemand benötigt, ebenso wie den Kardiografen, der in dem beengten Raum seinen Platz auf der Fensterbank gefunden hat. In einer Schachtel daneben die Saugnäpfe für die Verkabelung zum Patienten.

Die Medizintechnik ist nicht ladenneu, jedoch im Vergleich zu vor acht Jahren, als der Verein „Strassen-Engel“ seine Ambulanz im ehemaligen Gebäude des Nordbahnhofs eröffnete, ist sie mittlerweile ziemlich vollständig und damit einer Hausarztpraxis ähnlich. Damals fehlte es noch an vielem. Aber nicht nur die Ausstattung ist mehr geworden. Der Main-Kinzig-Kreis hat nun mit der Ambulanz der „Strassen-Engel“ ein Pilotprojekt gestartet – auch weil die Zahl der Patienten steigt.

„Wir müssen die Menschen, die an keiner Krankenversicherung angedockt sind, mit einer humanitären Sprechstunde auffangen“, sagt Silke Hoffmann-Bär, Stabsstelle Öffentlicher Gesundheitsdienst der Stadt Hanau. Die Ärztin ist von der Stadt für den Main-Kinzig-Kreis abgeordnet worden. Bislang konnte der Verein Sprechstunden nur mit ehrenamtlichen Medizinern wie Kobosil leisten, der zwei, drei Stunden in der Woche, und wenn Not am Mann ist auch mehr, die Praxis besetzt. Am Tag können es bis zu zwölf Patienten sein. Der Kontakt zwischen Verein und Kreis sei während der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Impfkampagnen entstanden. Die „Strassen-Engel“ kümmern sich vor allem um Menschen ohne Obdach. Auch sie erhielten das Vakzin gegen Covid-19. Nun soll mindestens an einem Wochentag ein hauptamtlicher Mediziner die Straßenambulanz unterstützen, die aktuell montags und mittwochs von 12 bis 14 Uhr Sprechzeit hat. Schon jetzt steht eine zusätzliche Öffnung am Freitag zur Diskussion. Das Team der Hauptamtlichen wird von Hoffmann-Bär geleitet.

„Nicht nur die, die auf der Straße leben oder von Altersarmut betroffen sind, kommen, sondern zunehmend Geflüchtete, die noch keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben“, sagt Vereinsgründerin und Vorsitzende Sabine Assmann. Dass die Versorgung bislang gut klappte, sei den ehrenamtlichen Ärzten und den vielen Spendern zu verdanken, die Medikamente und medizinische Hilfsmittel abgäben.

Dabei reicht das Spektrum weit über die Versorgung von kleinen Wunden hinaus. „Zeckenbiss, offene Beine oder die Folgen einer Prügelei, einfach alles wird hier behandelt“, sagt Kobosil. Vorstellig würden auch chronisch Erkrankte wie Diabetiker. Wer unter den Zuckerkranken unter Typ II leide, lasse sich mit Tabletten gut einstellen, sagt Kobosil. Wer Krebs habe und auf der Straße lebe, sei schlechter dran. In der Straßenambulanz findet sich keine bestimmte Altersgruppe ein, heißt es. Zumeist seien es Männer, die kommen, rund zwei Drittel. Familien habe er noch nicht in seiner Sprechstunde sitzen gehabt, sagt Kobosil.

Alles, was über die eine ambulante Behandlung hinaus geht, stellt den Verein immer wieder vor eine Herausforderung, vom Erstellen eines Blutbilds über eine Röntgenaufnahme bis zum Verarzten eines Bruchs. Hierbei ist man auf auswärtige Hilfe angewiesen. Dann muss Assmann wieder mal ihre Kontakte zu Krankenhäusern bemühen, den Patienten ohne finanzielle Belastung des Vereins aufzunehmen. Das sei keineswegs selbstverständlich, betont die Vorsitzende.
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