Besuch bei den Integrationsklassen der Hermann-Hesse-Schule Kinder emotional auffangen

Fleißig am Lernen: Die Integrationsklassen beim Besuch des Bürgermeisters.

Obertshausen – „Ich wohne, du wohnst, er/ sie/ es wohnt“, „ich lerne, du lernst, er/ sie/ es lernt“ - und das mit großem Interesse und viel Herz. Gierig saugen sie jedes Wort ihrer Lehrerin auf, haben einige Verben auf buntem Pappkarton notiert. Die Hermann-Hesse-Schule führt mittlerweile drei Integrationsklassen, darunter eine, die allein Mädchen und Jungen aus der Ukraine besuchen. Simone Jentzsch von der Schulleitung besucht mit Karin Rosbach, Dezernentin für Gesamtschulen im Staatlichen Schulamt Offenbach, und Bürgermeister Manuel Friedrich den Unterricht.

Fenster, Stühle, Tafel und Steckdose tragen bunte Karten mit den deutschen Bezeichnungen der Dinge. „Ich muss kein Deutsch lernen, ich gehe nach Hause.“ Diese Aussage hören die Lehrkräfte auch, aber nur selten. „Wir müssen die Kinder emotional auffangen, wir lassen sie die Musik ihrer Heimat hören und bieten eine nette Atmosphäre an“, zählt Pädagogin Jentzsch auf.

Beim Nachwuchs aus Osteuropa kommt das an. „Es ist eine sehr gute Schule und gute Lehrer“, schwärmt eine Schülerin. Ihre Nachbarn formulieren ihre Meinung ähnlich, andere nicken zustimmend. Manuel Friedrich heißt die jungen Menschen aus der Ukraine willkommen. Dann interessiert er sich, aus welchen Regionen die Geflüchteten kommen. Aus Kiew, Odessa, Butscha, diesem so tödlich getroffenen Vorort der Hauptstadt, dessen Name um die Welt ging. Die Gäste müssen schlucken, für Nadja El Aissami ist das inzwischen Alltag.

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Die Lehrerin gibt Deutsch, verständigt sich permanent über eine App, die alle in der Klasse auf dem Handy haben: Deutsche Sätze werden von einer synthetischen Stimme auf Ukrainisch wiedergegeben und umgekehrt. Zweimal in der Woche wird die Gruppe nachmittags von muttersprachlichen Lehrern unterrichtet, auch in der Kultur der Heimat. „Wenn ihr einen Wunsch auf dem Herzen habt, meldet euch“, lassen die drei Besucher übersetzen. „In der Klasse sitzen sehr gute Fußballer“, hat der Rathauschef bereits erfahren, „sie sind ein Gewinn für die Vereine“.

Die beiden anderen Lerngruppen sind gemischt, vor allem mit Jugendlichen aus dem ehemaligen Jugoslawien besetzt. Diese Zugezogenen dürfe man nicht vergessen, betont die Dezernentin. Sie weist darauf hin, dass in den Klassen eine hohe Fluktuation herrscht, weil manche Schüler mit ihren Eltern zu Verwandten weiterziehen. Haben sie ausreichend Sprachkenntnisse erworben, wechseln sie in Regelklassen, zunächst stundenweise.

„Ich liebe diese Schule“, sagt ein Mädchen aus Polen, „das ist eine super nette Klasse“, ergänzt ein Grieche. „Viele sind in Englisch, Mathe und den Naturwissenschaften sehr gut“, lobt die Frau vom Amt. Bei den I-Klassen stehen auch diese Fächer auf dem Stundenplan, erläutert Simone Jentzsch, „wir können nicht den ganzen Tag Deutsch geben“. Die Gruppe möchte nun mehr Ausflüge machen, solange es die Corona-Regeln erlauben.

Von Michael Prochnow