Winno Sahm folgt Einladung der Naturfreunde und liest in TGS-Gaststätte Schwänke aus dem Leben

Mehr als 30 Mitglieder und Interessierte füllen den kleinen Saal an der Aachener Straße beim Vortrag von Winno Sahm.

Obertshausen – Sie haben gar keine Wahl: Die Zuhörerinnen und Zuhörer werden mit ins Geschehen hineingerissen, werden Teil einer Szene, in der sie eine mal fauchende, mal flüsternde Stimme betört. Sie entspringt schmalen Lippen unter grauem Barthaar und wandelt sich von einer Sekunde zur anderen von einem leisen Wispern zu orkanartiger Lautstärke. Im gespenstischen Schein der schlichten Schreibtischlampe erscheinen die Züge eines Gesichts – dem des Winno Sahm.

Der Rodgauer Stadtrat ist nicht zufällig Kulturdezernent. Seit vielen Jahren begeistert er Menschen landauf, landab für die Literatur. Dabei präsentiert er sich nicht nur als talentierter Vortragskünstler, sondern auch als ausgewiesener Kenner klassischer Autoren und ihrer Werke. Das bewies er jüngst bei seinem Auftritt im Kolleg der Waldschänke.

Der Vorstand der Ortsgruppe Obertshausen der Naturfreunde, die in diesem Jahr ein halbes Jahrhundert alt wird, hat den Literaturfreund in die Vereinsgaststätte der Turngesellschaft (TGS) Hausen eingeladen. Mit Sahm hat die Gemeinschaft auch ihre bis dato letzte Innenraum-Veranstaltung gestaltet, erinnert Vorsitzender Martin Stark. „Am 4. Februar 2020 lauschten mehr als 50 Besucherinnen und Besucher den Rezitationen des Kommunalpolitikers“, erinnert der Sprecher.

Diesmal füllen mehr als 30 Mitglieder und Interessierte unter Corona-Bedingungen den kleinen Saal an der Aachener Straße. Auch für die Wirtsleute der Traditionsgaststätte ist der Termin ein großes Ereignis, dürfen sie doch endlich einmal wieder eine größere Gesellschaft empfangen. Da die Organisatoren keinen Eintrittspreis erheben, hat sich ein illustrer Kreis eingefunden, auch Menschen, die sich einfach freuen, dass überhaupt noch Vereinsaktivitäten laufen.

Sahm ist sehr gut vorbereitet, hat Werke und Auszüge zum Thema Frühling mitgebracht. Gezielt greift er nach jedem Vortrag zu jüngeren oder sehr alten, abgegriffenen Bänden, die er vor sich angeordnet hatte. Huldvoll und rhetorisch kunstvoll rezitiert er romantische Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe und Ludwig Uhland.

Geschichten zur närrischen Kampagne trägt er auch sicher im Dialekt des Mundartdichters Friedrich Stoltze vor, der Kontrollen am Frankfurter Affentorplatz schildert, als Fleisch nicht in die Stadt eingeführt werden durfte. Sahm kennt die Mainmetropole und ihren Dialekt bestens, erläutert Begriffe für Zugereiste und Eingeplackte, moderiert die Stücke geschliffen und humorvoll an, stellt immer wieder Vergleiche mit der „guten alten Zeit“ her. Der Mann, der Geschichten zum Leben erweckt, zelebriert einen Dialog mit einem Hessen, garniert sie mit Schwänken aus seinem eigenen Leben, berichtet vom Oberministrant und vom „kleinen Schauspieler“. „Für uns ist der Abend ein Einstieg in ein Programm, das auch wieder mehr Angebote in Innenräumen vorsieht“, kündigt der Vorsitzende an.

Am Sonntag fuhr eine Gruppe der Naturfreunde jedoch zunächst mit der S-Bahn nach Hochheim am Main, um unter freiem Himmel eine Gesundheitswanderung zu starten.

Die monatlichen Spaziergänge mit Jörg Niehaus führen durch kleine, sehenswerte Städte, sind aber schon fast komplett ausgebucht, erklärt Stark. Am 25. Juni soll auf dem Gelände des Geflügel- und Vogelzuchtvereins am Rembrücker Weg ein Grillfest steigen, am 14. Oktober soll der 50. Geburtstag der Ortsgruppe im Bürgerhaus groß gefeiert werden.

Von Michael Prochnow