Ungewöhnliches Theaterprojekt „Tatort Büchner“ überzeugt Aus vielen Teilen wird eins

Ein Puzzlespiel aus biografischen Daten, Texten und Schauspielszenen ist Tanja Garlts Theatercollage „Tatort Büchner“. Bild: hampe

Jügesheim – Er war Arzt, Dichter und Rebell und wurde nur 23 Jahre alt: Georg Büchner stand am Wochenende im Mittelpunkt eines ungewöhnlichen Theaterprojekts in Jügesheim. „Tatort Büchner“ war eine Auftragsarbeit der Stadt Rodgau. Natürlich auf der Bühne der Georg-Büchner-Schule – wo sonst?

Mit einem Puzzlespiel aus biografischen Daten, Texten und Schauspielszenen stellten Tanja Garlt und ihr Ensemble viele Facetten ihres Protagonisten dar. Das war zwar kein Tatort-Krimi, wie der Titel suggerierte, aber ungemein spannend.

Die Kraft der Sprache überzeugt auch nach fast 200 Jahren ebenso wie die psychologischen Betrachtungen. Ein Beispiel aus „Woyzeck“: „Jeder Mensch ist ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.“ Das Stück gehört zu den meistgespielten deutschen Dramen, obwohl es unvollendet blieb.

Georg Büchners literarisches Werk ist innerhalb von nur vier Jahren entstanden. Es umfasst eine Erzählung, ein Lustspiel und zwei Dramen, eines davon eben unvollendet. Den fragmentarischen Charakter dieses Werks bilden Tanja Garlt & Co. in Form einer Theatercollage ab. Ausgesuchte Szenen, Briefzitate und ein Monolog ergeben ein Mosaik, in dem man ein Gesamtbild erkennen kann. Dass dieses Bild für jeden Zuschauer anders aussieht, ist gewollt.

Fünf Frauen und fünf Männer machen Büchners Figuren lebendig. Da ist keine Bewegung zu wenig, keine Geste zu viel. Dennoch entsteht emotionale Tiefe. Vor allem aber zelebrieren die Akteure Büchners Sprache. Das tut auch Literaturkenner und Kulturdezernent Winno Sahm, der als Gast mit wallendem Haar aus der Erzählung „Lenz“ rezitiert.

Musik verbindet, gliedert und akzentuiert diese Theatercollage. Laurens Tauber, der in diesem Jahr den Kulturförderpreis der Stadt Rodgau erhalten hat, hat sie komponiert. Die Klangfolgen sind nicht immer eingängig, die Besetzung ist auf zwei Instrumente reduziert: Laurens Tauber am E-Piano und Erik Tauber am Schlagzeug. Denn Trommeln gehören einfach dazu, wenn es um Revolution geht. Der Auftrag der städtischen Kulturagentur war für Tanja Garlt die zweite Begegnung mit Büchner nach langer Zeit. Am Beginn ihrer Regielaufbahn hatte sie an der Claus-von-Stauffenberg-Schule an einer Inszenierung von „Leonce und Lena“ mitgewirkt. Das Lustspiel, eine Mischung aus Komödie und Satire, bildet den Abschluss ihrer Büchner-Collage. Am Ende wird der Diener zum Staatsminister und erklärt das süße Nichtstun zur Staatsräson: „Und dann legen wir uns in den Schatten und bitten Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine kommode Religion.“

Von Ekkehard Wolf