Tasten und Texte mit Filip Tomic und Tanja Garlt „Wir wollen Akzente setzen“

Tasten und Texte mit dem Rodgauer Schüler Filip Tomic, der im nächsten Schuljahr auf ein Musikgymnasium nach Frankfurt wechseln will, und der Rodgauer Regisseurin Tanja Garlt bei der Matinee auf dem Waldfriedhof.

Jügesheim – Die Kooperation Stadt und Stadtwerke Rodgau hat eine ganz feine Veranstaltungsreihe geschaffen. Seit 2014 jährliche Kultur-, insbesondere Musik-Matineen in der Trauerhalle des Waldfriedhofs Jügesheim. Mit drei Sätzen brachte Matineen-Moderator Winfried B. Sahm deren Konzept auf den Punkt: „Wir versuchen mit diesen Veranstaltungen das Besondere zu bieten. Also Unikate, die es vorher nicht gab und meist hinterher auch nicht mehr. Wir wollen Akzente setzen.“ Diesmal mit „Tasten und Texten“. Eine Idee von Gabriele Ziegler, Mitarbeiterin der Agentur Kultur, Sport und Ehrenamt.

Sie brachte ein Duo zusammen, dem man wünscht, dass es kein Unikat bleiben möge. Der weibliche Teil, 49, überregional bekannt und von der Heimatstadt kulturpreis-gekrönt: Tanja Garlt – Texte. Er, 16 und völlig unbekannt: Tasten. Weiße und schwarze Tasten sowie Knöpfe an einem Gerät, das noch immer als uncooles Anti-Instrument gilt. Wie Blockflöte. Es ist nur viel teurer. Beides spielt Filip Tomic (und auch Geige, Klavier und Keyboard). Gemeint ist Akkordeon, das dem Jugendlichen von seinem Opa näher gebracht wurde. Im Vorfeld seines Auftritts hörte man, Tomic spiele „brillant“. Bei solchen Aussagen insbesondere von Fans ist gesunde Skepsis angebracht.

Nach der Standing Ovation in Jügesheim lässt sich sagen: Ja, er spielt brillant. Und das, obwohl er erst seit vier Jahren mit dem schwer zu beherrschenden Instrument arbeitet. Überdies intoniert Tomic auswendig. Auch am Sonntag. In vier Blöcken mit jeweils zwei bis vier Stücken gab er Traditionelles, Tänze und auch Schunkeliges zum Besten sowie Klassik, Volksmusik, Pop und Rock ‘n’ Roll. Mitunter schaltete er ansatz- und nahtlos um etwa von Chanson zu Flamenco, von „melancholisch“ zu „treibend rasant“. Der Virtuose, Eleve der Heinrich-Böll-Schule Nieder-Roden, bot Stücke von Mozart, Brahms, Strauss und Schostakowitsch dar sowie Songs von Simon & Garfunkel bis Bill Haley.

Bei Michael Jacksons „Billie Jean“ ließ er die Bässe herrlich bauchig wühlen. Und das eindrucksvolle „Lerchen“ von M. A. Kemis, eine von Tomics besten Interpretationen, spielte er nicht innerhalb eines seiner Blöcke, sondern losgelöst solo. Gewissermaßen speziell für Tanja Garlt, deren Lieblingsstück „Lerchen“ im Tomic-Programm war. Sie stand mitwippend auf der Bühne am Rezitatoren-Pult und gab dem jungen Musiker somit Sicherheit. So als wolle sie ihm nonverbal vermitteln: „Du bist mega.“ Mega war auch sie beim Rezitieren der Texte ihrer drei Programmblöcke mit Lyrik, teilweise mehr kleine Erzählungen als Gedichte, von Kleist, Ringelnatz und Shakespeare.

Kein Stocken, kein Verhaspeln, keine Versprecher. Selbst bei Hanns von Gumppenbers „Sommermädchenküssetauschelächelbeichte“ nicht. Ohne Punkt, Komma und mit wenig Leertasten Verfasstes, das beim Publikum mit am besten ankam. Nicht artifiziell oder theatralisch deklamierte die Regisseurin, sondern natürlich, eher zurückhaltend, aber dennoch ausdrucksintensiv. Eine Besucherin am Ende der beeindruckenden Matinee zu ihrer Begleitung: „Mit ihren Betonungen und Pausen, die sie machte, las Frau Garlt so, dass man Texte beziehungsweise Passagen daraus plötzlich verstand, die man vorher beim Selberlesen nicht so recht verstanden hat.“

Übrigens: Nicht nur die Friedhofshalle, sondern auch die Spendendose war ausnehmend gut gefüllt. Der Verein „Wildtierarche Rodgau“ freute sich über 764,20 Euro.

Von Manfred Meyer