Videooper „Kairosis“ geht in der Seilerei an den Start Interaktives Musikwerk

Das Publikum entscheidet, wie die Filmhandlung weitergeht: Komponist Moritz Eggert erklärt wie „Kairosis“ funktioniert. Bild: sh

Sachsenhausen (sh) – Der Saal in der Alten Seilerei füllt sich. Es duftet nach Popcorn. Auf der Bühne steht eine große Leinwand, links davor sitzt das Ensemble Broken Frames Syndicate aus Offenbach. Das Publikum darf – sozusagen als Testspieler – „Kairosis“ ausprobieren: Eine interaktive Videooper, die noch am selben Abend online ins Netz geht. „Keine Angst, es wird nicht gesungen“, sagt der Komponist Moritz Eggert lachend.

Aber Livemusik vom Broken Frames Syndicate gibt es am Auftaktabend in der Seilerbahn. Die zeitgenössischen, modernen Kompositionen liefern die filmmusikalischen Klänge zu „Kairosis“ und lassen einen direkt in die dystopische Handlung eintauchen, die sich auf der Leinwand abspielt. Es geht um eine junge Komponistin – dargestellt von der Schauspielerin Elene Fellisch – die sich gemeinsam mit einem Ensemble – dargestellt vom Broken Frames Syndicate – auf ein Konzert vorbereitet. Die Probe läuft nicht gut und auch das Verhältnis zwischen Komponistin und Musikern scheint nicht angespannt zu sein. Es gilt, wichtige Entscheidungen zu treffen. Und da kommt das Publikum beziehungsweise der Zuschauer zu Hause zum Zug: Wie bei einem Computerspiel kann aus verschiedenen Optionen ausgewählt werden, wie die handelnden Figuren sich verhalten sollen. Jede getroffene Entscheidung beeinflusst den Fortgang der Handlung. Unterwegs gibt es – das ist ebenfalls der Welt der Videospiele entlehnt – Geheimnisse zu finden. Hat die Komponistin eine gefährliche Liebschaft mit einem Präsidenten? Welche Verbindung hat sie zum Dirigenten des Ensembles? Was steckt hinter der Botschaft „Wir sind der Morgen“? Wer die richtigen Entscheidungen trifft, kommt am Ende der Lösung auf die Spur.

An sechs Drehtagen war die Seilerei Schauplatz für „Kairosis“. „Das Gelände ist eine vielseitige Location mit zahlreichen Hallen und Räumen. Man konnte sich gut austoben“, sagt Eggert mit Blick auf Urs Felix Bauer, unter dessen Regie und Kameraführung die Produktion umgesetzt wurde.

Die Idee für das Projekt hatten Eggert und das Broken Frames Syndicate bereits zu Pandemiezeiten. Ihr Wunsch war, jedem einen direkten, spielerischen Zugang zu zeitgenössischer Neuer Musik zu ermöglichen. Mit dem Format von „Kairosis“ entsteht zudem eine digitale Interaktion zwischen dem Ensemble und dem Zuschauer – eine Schnittstelle von Film, Musiktheater und Online-Gaming. Gesprochen wird in der Videooper kaum, sodass man der Handlung sprachunabhängig folgen kann. „Eigentlich ist es ein Stummfilm mit Musik“, erklärt Eggert. Die Entscheidungs-Buttons gibt es auf Deutsch und Englisch.

Mit viel Begeisterung ist das Publikum bei der Vorführung von „Kairosis“ dabei und stimmt per Handzeichen über die Entscheidungen der Protagonistin ab. Das endet für diese nicht immer gut, aber immerhin werden von zehn Geheimnissen fünf gefunden. Anders als die Mitspieler zu Hause am Computer kommen die Besucher der Alten Seilerei in den Genuss live gespielter Kompositionen des Ensembles. Dessen Mitglieder haben für die interaktive Videooper sogar eine Doppelfunktion übernommen – nämlich als Musiker und als Darsteller.

Wer selbst spielen möchte, findet die entsprechende Seite unter kairosis-videopera.de im Internet. Unterstützt wurde das Projekt vom Musikfonds, Neustart Kultur, Podium Gegenwart, Kulturfonds und der Aventis Foundation.