Kammerphilharmonie Seligenstadt begeisterte im Riesensaal Neujahrskonzert auch ohne „Prosit“ ein Genuss

Die Kammerphilharmonie Seligenstadt und Bariton Peter Schöne (links vorne) hatten für das Publikum im gut besuchten Riesensaal einige musikalische Überraschungen parat. Foto: ha

Seligenstadt (red) – Bereits zum sechsten Mal war das Publikum in den prächtigen Riesensaal zum Neujahrskonzert geladen. Dass die Kammerphilharmonie stets überraschen möchte, zeigte bereits das Eröffnungswerk. Jörg Neuberger berichtet für das Heimatblatt.

Die selten gespielte Ouvertüre zu Richard Wagners erster Oper „Die Feen“ bestach gerade in den dramatischen Teilen durch finstere Streicherwogen und flehendes Holz. Die Brücke zur schlichten und fast biederen Zwischenmusik Nr. 3 zu Schuberts „Rosamunde“ musste nun der stets nonchalante Bastian Korff bauen.

Dessen schelmische und informative Moderationen passten sich stimmig in das Konzertprogramm ein. „Dass man Mitte Januar kein „Prosit Neujahr“ mehr wünschen dürfe sage ja auch der Knigge.“ begrüßte Korff und beließ es bei guten Wünschen an die Zuhörer und einige Ehrengäste.

Den Namen Gustav Mahler liest man als Zuhörer eines Neujahrskonzertes eher selten auf einem Programm. Doch auch diese Überraschung glückte nicht zuletzt durch die ausdrucksstarke Interpretation des renommierten Gastsolisten Peter Schöne. Der mehrfache Preisträger verschiedener Gesangswettbewerbe ließ das träumerische „Rheinlegendchen“ ebenso vor dem inneren Auge entstehen, wie die morgendliche Reise über das Feld des fahrenden Gesellen. Stets dem Liedtext angepasst und fern eines opernhaften Pathos musizierten Sänger und Orchester heikle piano-Passagen sicher und voluminöse forte-Stellen transparent und stimmungsvoll.

Dirigent Arndt Heyer, der seit Beginn der Seligenstädter Neujahrskonzerte den Taktstock schwingt, hatte die Kammerphilharmonie auch auf diese Anforderungen stilsicher vorbereitet.

Das Publikum wurde mit dem Marsch und dem berühmten Blumenwalzer aus Tschaikowskys Nussknacker beschwingt in die Pause entlassen, die bei einem Sekt genügend Zeit ließ in den Melodien oder dem faszinierenden Klang der Harfenkadenz erinnernd zu schwelgen.

Im zweiten Teil wurde der Fokus auf Oper und Operette gelegt. Mozarts Ouvertüre zum Singspiel „Der Schauspieldirektor“ leitete schwungvoll zu Teilen der Buffo-Oper „Cosi fan tutte“ über. In der Arie des Guglielmo „Rivolgete a lui lo sogardo“ ließ erneut Solist Peter Schöne seinen strahlenden Gesang bewusst nuancenreich über dem dezent begleitenden Orchester erklingen. Nach dem Vorspiel zu La Traviata wurde es in Verdis berühmter Baritonarie „Di provenza il mar“ dramatisch und herzerweichend, wenn Germont in hoher Lage seinen Sohn anfleht Violetta zu vergessen. Massive Akkorde zu Beginn von Rossinis „Pas de six“ füllten den Saal ehe filigrane Tongirlanden der hohen Streicher und Bläser zum Höhepunkt des Konzertes überleiteten. Die textreiche und berühmte Arie des Figaro, die vom begeisternden Opernsänger ebenso mit Bravour wie mit schauspielerischem Esprit dargeboten wurde, quittierte das Publikum mit stehenden Ovationen.

Das Neujahrskonzert musste nun nach Lehárs bekanntem Operetten-Walzer „Gold und Silber“ op. 79 mit einigen Zugaben enden. Erneut überraschten Musiker und Dirigent als hymnische Klangsphären aus Mascagnis Intermezzo der „Cavalleria Rusticana“ erklungen. Spätestens aber mit der zweiten Zugabe bewies die Kammerphilharmonie Seligenstadt, dass ein Neujahrskonzert nicht zwingend nur in Strauss’scher Sektseligkeit erklingen muss - aber natürlich darf. Mit Johann Strauss jr.’s berühmter „Tritsch-Tratsch-Polka“ op. 214 auf den Lippen - statt in den Händen - verließ ein sichtlich begeistertes Publikum den Seligenstädter Konzertsaal.