Aus Tschick wird Tschicka Schauspiel-Truppe der Offenen Schule bringt Buch auf die Bühne

Madeleine Lemarr und Sammy Jaust(von lins) übernahmen beim Theaterstück „Tschicka“ an der Joachim-Schumann-Schule zwei der Hauptrollen. Foto: Just

Babenhausen (mj) –   Manche Theateraufführungen sind anders. Das Stück „Tschicka“ von Zehntklässlern der Joachim-Schumann-Schule gehört dazu. Ganz ohne Bühnenbild – so kam die Schauspiel-Truppe der Offenen Schule am Mittwochabend bei der Premiere aus.

Dazu stellte der Ort des Geschehens, eine sogenannte „Sozialfläche“ innerhalb des Schulgebäudes, etwas Besonderes dar: Denn der Freiraum für Zusammenkünfte jeglicher Art musste komplett umgestaltet werden. Das schloss neben der Bestuhlung die Verwendung zahlreicher Scheinwerfer ein, für deren Effekte die Schüler sämtliche Fenster abklebten.

Das Tageslicht sollte komplett ausgesperrt werden. „Der Aufwand war groß“, weiß Deutsch-Lehrerin und Regisseurin Pia Altermann. Nicht der Norm entsprach zudem, dass mit den sieben Schülern auch vier Lehrer zur Schauspielriege gehörten.

Preisgekröntes Buch als Vorlage

Bereits Ende September 2015 begannen die Vorbereitungen für die Projektarbeit, in der es um zwei jugendliche Außenseiterinnen geht. Tschicka und Maike beschließen, in einem geklauten Lada eine Reise zu machen. Auf einer Müllkippe kommt es zu der Begegnung mit einem dort lebenden Mann. Danach setzt bei den Schülerinnen ein Reifeprozess ein. „Das Buch ist der Knaller!“, sagt Pia Altermann über den 2010 erschienenen und preisgekrönten Jugendroman „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf, der den Schülern als Vorlage diente.

Der wurde allerdings in weiten Teilen verändert. So ist die Hauptperson kein Junge mehr, sondern ein Mädchen, was am Titel „Tschicka“ deutlich wird. Um die Aussagen von Herrndorf besser zu verstehen, machten die Babenhäuser Schüler sich nach Köln auf. Im Kellertheater wohnten sie einer Aufführung von „Tschick“ bei und unterhielten sich mit den Akteuren.

Das zahlte sich aus: Bei der Aufführung verkörperten die Jungschauspieler, allen voran die drei Protagonisten Pascal Müller und seine weiblichen Kolleginnen Madeleine Lemarr und Sammy Jaust, ihre Rollen mit Hingabe und Überzeugung. Das war mal einfacher (Madeleine Lemarr: „Bei der Schüchternheit von Maike habe ich mich wiedererkannt“) und mal schwieriger (Sammy Jaust: „Wenn man selbst noch nie Auto fuhr, ist das gar nicht so leicht zu spielen“).

Filmeinspieler parallel zur Handlung

Insgesamt kam ein unkonventionelles Stück heraus, für das kein Bühnenbild nötig war. „Das Spiel lebt vom Spiel“, erklärte dazu die Regisseurin. Dafür liefen auf einer Leinwand immer wieder kleine, selbstgedrehte Filmeinspieler parallel zur Handlung, die Hintergründe zur Geschichte erläuterten.

Mit der Auswahl des Stückes von Wolfgang Herrndorf bewiesen die Beteiligten ein glückliches Händchen: Zum einen wird das Buch derzeit in mehreren Klassen der OSB gelesen. Zum anderen sind die behandelten Themen wie Liebe, Sexualität, Außenseitertum, Komplexe oder Abenteuersehnsucht für die Jungschauspieler mit ihren 16 Jahren im wahren Leben aktueller denn je.

Laut Pia Altermann bleibt vom Schauspielprojekt für ihre Schützlinge eine Menge hängen: „Zum Teamwork kommt Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Selbstbewusstsein“, sagt sie. Wie sie überraschend ergänzt, trügen Selbstbewusstsein nicht nur die Schüler davon: „Auch die Lehrer, die mitgespielt haben, nehmen eine ganze Portion davon mit.“